Seehofer leugnet ein echtes Polizeiproblem

Bundesinnenminister stellt Zahlen zu Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden vor

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit Monaten wehrt sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen Forderungen nach einer unabhängigen Studie zur Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in den Sicherheitsbehörden. Diese sei schlicht nicht notwendig. Um seine Position zu untermauern, präsentierte der Minister am Dienstag in Berlin einen »Lagebericht«, erstellt vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Ergebnis fällt ganz im Sinne Seehofers aus: »Über 99 Prozent der Mitarbeiter stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Wir haben kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden«, fasst er das Ergebnis der Erhebung zusammen.

Was als Prozentangabe wenig bedenklich erscheint, sieht in absoluten Zahlen schon etwas anders aus: Tatsächlich erfasste der Verfassungsschutz zwischen 2017 und dem Frühjahr dieses Jahres 319 rechtsextreme Verdachtsfälle bei den Sicherheitsbehörden der Länder und weitere 58 Verdachtsfälle bei Bundesbehörden, die Mehrheit davon bei der Bundespolizei. Hinzu kommen laut Zählung des Militärischen Abschirmdienstes 1064 Verdachtsfälle bei der Bundeswehr. Für Seehofer scheint das Thema Rechtsextremismus bei den Sicherheitsbehörden damit abgehakt. Deshalb wiederholte er seine Ankündigung, eine Studie über Rassismus in der Gesellschaft zu beauftragen. Denn: »Rassismus ist ein universelles Thema, dass nicht auf eine Berufsgruppe beschränkt werden darf.«

Nicht nur die Opposition meldet Zweifel am Lagebericht an. »Die von Seehofer präsentierten Zahlen und Schlussfolgerungen werden dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht«, erklärte die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke. Die Zahlen würden das Naziproblem in den Sicherheitsbehörden verharmlosen. Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic forderte einen unabhängigen Ansprechpartner bei der Polizei für Hinweise zu rechtsextremistischen Vorfällen, der »außerhalb der Hierarchie verankert« sein müsse.

Selbst der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist unzufrieden. »Ein strukturelles Problem ist mit diesem Lagebericht nicht widerlegt«, so BDK-Bundesvorstandsmitglied Daniel Kretzschmar gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Eine wissenschaftliche Studie sei daher erforderlich. Auch aus der Forschung kam Kritik. Alexander Bosch, Sozialwissenschaftler am Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit in Berlin, ist überzeugt, dass der Verfassungsschutz nicht in der Lage ist, »Rechtsextremismus oder Rassismus in Polizei vernünftig zu erfassen.«

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