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Mammutaufgabe in kleiner Runde
Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal beschäftigt sich zunächst mit sich selbst
Mehrere Tausend Seiten Akten, eine Vielzahl unterschiedlicher Themenbereiche, die zum Teil komplexe finanztechnische Details umfassen - der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Fall Wirecard steht vor einer Mammutaufgabe. Trotzdem wird er in kleiner Runde abgehalten: mit neun regulären Mitgliedern und ebenso vielen Stellvertretern. Am Donnerstagnachmittag konstituierte sich das Gremium. Los gehen soll es mit einer Sachverständigenanhörung. Danach werde sich der Untersuchungsausschuss »Stück für Stück an der Zeugenliste vorarbeiten«, wie es Fabio De Masi, Obmann der Linksfraktion, ausdrückt.
Der Finanzdienstleister Wirecard soll über Jahre Bilanzen gefälscht haben, um vor Anlegern besser dazustehen. Trotz jahrelanger Verdachtshinweise flog der Schwindel erst im Juni auf, aber dann ging es schnell: Die Firma meldete Insolvenz an, flog aus der ersten deutschen Börsenliga, die Staatsanwaltschaft wirft der Führungsriege »gewerbsmäßigen Bandenbetrug und Marktmanipulation« vor, Haftbefehle wurden ausgestellt, Europol fahndet gegen einen offenbar in Russland untergetauchten Ex-Vorstand.
Der Untersuchungsausschuss hat besondere Brisanz, denn er wird bis in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes 2021 andauern und womöglich Einfluss auf dessen Ergebnis nehmen. Als Zeugen geladen sind mit Kanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht nur die Spitzen der amtierenden Regierung, sondern mit Scholz und Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) auch noch zwei mögliche Kanzlerkandidaten. Und »Zeugen« heißt, dass sie sich alle höchst unangenehmen Fragen der Oppositionsvertreter im Ausschuss stellen müssen: Wie kann es sein, dass Merkel auf einer China-Reise für Wirecard geworben hat, obwohl die Vorwürfe längst im Raum standen? Wieso haben es die zuständigen Ministerien hingenommen, dass sowohl die Bundesfinanzaufsicht Bafin als auch die Wirtschaftsprüfer samt deren Kontrolleure bei dem Dax-Unternehmen nicht so genau hinsahen? Welchen Einfluss nahmen PR-Berater Karl-Theodor zu Guttenberg und sogar Geheimdienstvertreter? Wie eng waren die Beziehungen der bayerischen Landespolitik zu der Finanzfirma aus dem Großraum München, und warum wurden Hinweise des dortigen Landeskriminalamts nicht weitergegeben?
Der Opposition geht es in diesen Fragen um mehr als Aufklärung: Sie hofft, dass wichtige Reformen angestoßen werden. Der am Mittwoch vorgelegte Aktionsplan der zuständigen Ministerien gilt aber als schwach und unkonkret. »Die Untersuchungen müssen den notwendigen öffentlichen Druck erzeugen, damit die Regierung die Finanzaufsicht effektiv reformiert«, fordert Linkspolitiker De Masi. »Die Finanz- und Geldwäscheaufsicht in Deutschland muss für das digitale Zeitalter fit werden.« Grünenobmann Danyal Bayaz kritisiert: »Ein konkretes Gesetzesvorhaben oder einen Zeitplan für die Reformen gibt es nach wie vor nicht.«
Trotz der umgangreichen Aufgabenliste beschäftigte sich der Ausschuss am Donnerstag erst einmal mit sich selbst. Turnusmäßig steht der AfD der Vorsitz zu. Deren Finanzexperte Kay Gottschalk kündigte im Vorfeld an, sich dafür zu bewerben. Doch es gab Vorbehalte: Vor allem die anderen Oppositionsparteien Linke, Grüne und FDP, die den Ausschuss gemeinsam beantragt haben, möchten nicht, dass sich die Rechtsaußenpartei hier profiliert, oder befürchten, dass der Aufklärungsanspruch des Gremiums darunter leiden könnte. Vor der Sitzung stand die Möglichkeit im Raum, dass Gottschalk abgelehnt wird und der Chefposten frei bleibt, so dass der designierte Vizevorsitzende Hans Michelbach de facto das Gremium leitet. Ein CSU-Politiker auf dem Posten wäre allerdings auch keine glückliche Lösung - etwa wenn es darum geht, dass der Ausschuss volle Akteneinsicht von der Regierung bekommt.
Letztlich wurde AfD-Mann Gottschalk dann doch ernannt, ein Novum im Bundestag. Damit kann die Arbeit beginnen.
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