- Kultur
- Michael Wendler
Der Schwurbler
Schlagerstar Michael Wendler ist nun auch ein Coronaverharmloser
Über den kulturellen Wert von im Takt eines Discofoxes gehaltenen Liedgutes dürfen sich Deutschlands Feuilletonisten streiten – für die Meinung der »FAZ« oder »Süddeutschen« interessierte sich einer wie Michael Wendler ohnehin nie. Gleichzeitig aber lebt der Schlagersänger in einer symbiotischen Beziehung mit dem boulevardesken Teil der Medienwelt. Mag das künstlerische Talent des 48-Jährigen überschaubar sein, so gleicht er fehlendes musikalisches Können durch penetrante Selbstvermarktung aus.
Genau deshalb spricht »der Wendler« über sich selbst meist in der dritten Person. Er versteht sich als Gesamtkunstwerk, aufgebaut auf dem übergroßen, aber ebenso fragilen Ego eines Männertyps, der sich vehement den Veränderungen in der Welt verweigert. Ganz besonders all jenen, die seine Vormachtstellung gefährden.
Im musikalischen Subgenre der Bierzelt- und Ballermannhits ist dieser Testosteron überfrachtete Alphamann eine sichere Bank für kommerziellen Erfolg, auch wenn die Konkurrenz groß ist. Dafür hält sich der Wendler seit über zwei Jahrzehnten überraschend wacker im Diskoschlagergeschäft. Zuletzt brachte ihn seine Omnipräsenz in den Klatschspalten nicht nur den Jurorenplatz in einer Castingsendung ein, sondern auch noch einen Werbevertrag mit einer großen Einzelhandelskette.
Letztere musste ihre neue Kampagne am Donnerstag abrupt beenden, weil der Wendler sich mit Attila Hildmann einen neuen, besten Freund gesucht hat. Der Koch textete ihn offenbar solange mit Verschwörungsideen rund um das Coronavirus zu, dass der bisher unpolitische Schlagersänger einen Erweckungsmoment erlebte. Via Videobotschaft ließ er seine Fans im klarsten Rechtsaußensprech wissen, dass er seinen Juryjob bei RTL hinschmeiße, weil die Medien in Deutschland »gleichgeschaltet« seien. Statt im Privatfernsehen kann man dem Wendler jetzt über den Nachrichtdienst Telegram bei der Zerstörung seiner Karriere zusehen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!