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Poetischer Content - copy or delete?

Fragen über Fragen: »poesie.exe - Texte von Menschen und Maschinen« ist eine der innovativsten Anthologien der letzten Zeit

  • Axel Klingenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sammelband »poesie.exe« präsentiert Gedichte, an deren Entstehung sowohl Menschen als auch Maschinen beteiligt sind. Aber können Computer, Algorithmen oder Künstliche Intelligenzen überhaupt Künstler sein? Wie ansprechend ist denn ihre Kunst überhaupt? Und wie eigenständig sind diese Kunstwerke und damit ihre digitalen Autoren?

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Fabian Navarro (Hg.): poesie.exe – Texte von Menschen und Maschinen.
Satyr, 144 S., br., 14 €.

Die allererste Frage lautet jedoch: Kann man maschinell erstellte Kunstwerke von den Erzeugnissen menschlicher Künstler unterscheiden? Um das herauszufinden, wurden alle Autoren in diesem Buch anonymisiert. Erst durch einen externen Link wird aufgelöst, welches Werk von wem erschaffen wurde. Aber zunächst hat der Leser die Aufgabe, sich selbst Gedanken über Urheberschaft und Genese zu machen. Im Anhang wird erklärt, auf welche Weise die Werke entstanden sind, mit welchen Verfahren und Hilfsmitteln.

Daraus ergibt sich eine weitere Frage: Welche der Texte gefallen mir? Welche haben mir etwas zu sagen? Und sprechen sie mit einer menschlichen oder mit einer Computerstimme? Diese Gedankengänge sind nicht nur höchst anregend, sondern sie animieren auch, selbst aktiv zu werden - insbesondere wenn man die Erläuterungen zu den Texten im Anhang gelesen hat. Aber man sollte sie wirklich erst nach der Lektüre der Gedichte und Kurzprosastücke studieren, um sich selbst nicht den Spaß nicht zu verderben.

»morgens ist die unwahrscheinlichste zeit / zehn Jahre vorbei / du hast mir beigebracht / dass marmor kalt ist, wenn man ihn berührt.« Ist das das Werk eines Menschen oder einer Maschine? Warum kann man menschliche Literatur überhaupt so schwer von maschinellen Produkten unterscheiden? Ist das ein Zeichen für die Stärke der maschinellen Künstler - oder für die Schwäche der menschlichen? Liegt es vielleicht auch an der Hermetik moderner Lyrik? (Post)moderne Gedichte scheinen nicht selten durch betonte Unverständlichkeit beeindrucken zu wollen.

Letztlich stellt sich eine weitere Frage: Ist die digitale Dichtung die Lyrik der Zukunft? Nun, das wird sich wohl tatsächlich erst in den nächsten Jahren zeigen. Dann werden wir erfahren, welche Rolle Künstliche Intelligenzen und computergestützte Verfahren wirklich haben werden.

Um eine Prognose zu wagen: Wahrscheinlich ist, dass immer noch Menschen gebraucht werden, um Dichtung konsumerabel zu machen. Vielleicht liegt die Zukunft in der Co-Autorenschaft zwischen Menschen und Maschinen? Dies gilt nicht nur für die Literatur, sondern auch für Musik-Komposition und bildende Kunst, die schon heute von Künstlichen Intelligenzen gestützt werden; aber auch in der Filmproduktion werden digitale Verfahren noch stärker Einzug halten, als sie es ohnehin schon getan haben.

Interessant in diesem Zusammenhang ist ebenso die Frage, ob diese digitalen Verfahren auch in der Lage sind, Storytelling zu erbringen. Erste Versuche in dieser Richtung laufen schon. Können sich Computerprogramme also erzählenswerte Geschichten ausdenken und sie ansprechend ausformulieren? Wir dürfen gespannt sein. Die Anthologie »poesie.exe« liefert einen guten Einstieg in dieses Thema.

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