Brüchige Waffenruhe in Bergkarabach
Die Außenminister von Aserbaidschan und Armenien vereinbaren in Moskau Friedensverhandlungen
In der Krisenregion Bergkarabach haben sich die verfeindeten Nachbarn Armenien und Aserbaidschan nach den schwersten Gefechten seit Jahrzehnten auf eine Waffenruhe geeinigt. Allerdings war die Feuerpause, die seit Samstag um 12 Uhr offiziell in Kraft ist, sehr brüchig. Beide Seiten warfen sich am Wochenende gegenseitig vor, dagegen zu verstoßen. Russland als Vermittler erinnerte die zwei ehemaligen Sowjetrepubliken an ihre Zusagen, die unbedingt eingehalten werden müssten.
Aserbaidschan berichtete am Sonntag von Artillerieangriffen der armenischen Seite auf eine Wohnsiedlung in Ganja, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dabei sollen mindestens sieben Menschen getötet und mehr als 30 weitere verletzt worden sein. Unter den Opfern seien auch Kinder. Armenien dementierte. Man halte sich an die Waffenruhe, hieß es vom Militär. Hingegen habe Aserbaidschan erneut Angriffe auf Stepanakert gestartet, der Hauptstadt Bergkarabachs. Die Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden.
Die Feuerpause kam in der Nacht zum Samstag nach mehr als zehnstündigen Verhandlungen in Moskau unter Vermittlung des russischen Außenministers Sergej Lawrow zustande. Beteiligt waren die Außenminister aus Aserbaidschan und Armenien, Jeyhun Bayramov und Sohrab Mnazakanjan. Mit der Vereinbarung sollte auch gewährleistet werden, dass Gefangene ausgetauscht und tote Soldaten in die Heimat überstellt werden können. Der Plan wurde nicht umgesetzt.
Seit Beginn der neuen Gefechte in Bergkarabach Ende September wurden mehrere Hundert Menschen getötet. Aserbaidschan macht bislang keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Truppen, spricht aber von etwa 30 getöteten Zivilisten. Zudem sind Tausende auf der Flucht. Das Auswärtige Amt in Berlin appellierte an beide Seiten, den Waffenstillstand einzuhalten und weitere Opfer unbedingt zu vermeiden.
Lawrow bezeichnete die erzielte Vereinbarung als Grundlage für weitere Verhandlungen unter Führung der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Gruppe wird von Russland, den USA und Frankreich angeführt. Dass Russland beide Seiten überhaupt an den Verhandlungstisch brachte, wurde auch von unabhängigen Kommentatoren gelobt.
Wann sich die Lage beruhigen könnte, ist trotzdem nicht absehbar. Die Moskauer Erklärung sei eigentlich ohne Alternative, sagte der russische Politologe Arkadi Dubnow. Sowohl das arme Armenien als auch das ölreiche Aserbaidschan verfügten nicht über genug Ressourcen, um die Gefechte länger fortzusetzen. Nur deshalb hätten sich beide auf Verhandlungen eingelassen. »Äußerst schwierig wird es aber, beide zu einem echten Friedensabkommen zu bringen«, sagte Dubnow im Radiosender Echo Moskwy. dpa
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