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»Die Monarchie ist verbrannt«
Die Juan-Carlos-Biografin Rebeca Quintáns über das Exil des spanischen Ex-Königs, die juristischen Ermittlungen und Thronerbe Felipe
Die Umfrage zum »Tag der Hispanität« über die Zukunft der Monarchie vom 12. Oktober zeigt eine klare Tendenz: Bei einem potenziellen Referendum über die Zukunft Spaniens würden fast 42 Prozent für eine Republik votieren, nur noch knapp 35 Prozent für die Beibehaltung der Monarchie. 2014 musste Juan Carlos wegen seiner Skandale abdanken und gab den Thron an Felipe ab. Das wurde allgemein als Versuch gewertet, die Monarchie zu retten. Ist diese Rettung gefährdet?
Die Monarchie wird stürzen, es gibt keine Möglichkeit mehr zu ihrer Rettung. Alle Strategien, die jetzt angewendet werden, können das nur noch verzögern. Juan Carlos ist völlig verschlissen und wenn es auch noch zu einer Anklage kommt … Es gibt bisher nur eine Kampagne gegen den Vater, der Sohn wird bewusst ausgeklammert. Wenn man mit Juan Carlos abgerechnet hat, werden aber weitere Vorgänge zu Felipe ans Licht kommen. Er kommt da nicht mehr heraus.
Die Journalistin hat im Buch »Un rey golpe a golpe« (Ein König Schlag auf Schlag) die Mythen über den spanischen König als »Retter der Demokratie« beseitigt und die dunklen Geschäfte von Juan Carlos aufgedeckt. Die nicht autorisierte Biografie aus dem Jahr 2000 schrieb die Galicierin damals aus Sicherheitsgründen unter dem Pseudonym Patricia Sverlo. Vor vier Jahren veröffentlichte der Verlag Akal eine aktualisierte Fassung unter ihrem echten Namen: »Juan Carlos I: una biografía sin silencio« (Juan Carlos I: die Biografie ohne Lücken) Mit ihr sprach für »nd« Ralf Streck.
Wundert es Sie, dass sich Juan Carlos angesichts der Ermittlungen gegen ihn wegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung in die Vereinten Arabischen Emirate (VAE) abgesetzt hat?
Dass er sich dort aufhält, erklärt sich. Er war auch früher oft dort. Für mich steht das in Zusammenhang damit, was seine ehemalige Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenstein bezeugt hat, dass er immer wieder aus arabischen Ländern mit gefüllten Geldkoffern zurückgekommen ist. In Abu Dhabi war er stets mehrmals im Jahr. Mich erstaunt vor allem seine Frechheit. Es stößt stark auf, dass er dorthin geht, woher er Schmiergelder erhalten hat, wie man längst weiß.
Hat sein Exil-Standort etwas damit zu tun, dass es kein Auslieferungsabkommen zwischen der VAE und der Schweiz gibt, wo die Ermittlungen begannen?
Das spricht für die Emirate. Aber vor allem wird man versuchen, Ermittlungen zu behindern, sie so lange wie möglich zu verzögern. Juan Carlos ist schon 82 Jahre alt und die VAE werden sich wohl jeder Auslieferung widersetzen. Ich glaube nicht, dass er sich der Justiz vollständig entzieht. Aber wir müssen uns auf einen langen juristischen Vorgang einstellen.
Was bedeutet es, dass Spanien nach der Schweiz doch noch eigene Ermittlungen aufgenommen hat?
Damit wird versucht, die Schweizer Ermittlungen zu kontrollieren und auszubremsen.
Hat Juan Carlos hier angesichts der »Unantastbarkeit«, die einem Monarchen zugesprochen wird, etwas zu befürchten? Hier wird wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung nach seinem Abdanken 2014 ermittelt, aber nicht wegen Korruption.
Zu befürchten hätte er in Spanien sehr viel, wenn man anfangen würde, ernsthaft alle Vorgänge zu ermitteln. Ich glaube nicht, dass er sich hier auf die Anklagebank setzen muss. Vermutlich wird die spanische Staatsanwaltschaft den Schweizern sagen, dass man dort nicht weiter zu ermitteln brauche, da das in Spanien schon geschieht. Das ist eine Form der Kontrolle. Allerdings muss man ihn dafür hier formell anklagen, was bisher nicht der Fall ist. Tut man das nicht, kann die schwerwiegendere Anklage in der Schweiz nicht verhindert werden. Man hat nun Zeit gewonnen. Es wird abgewogen. Eine Anklage gegen den ehemaligen Staats- und Militärchef wäre ein Skandal, auch wenn man ihn später unschuldig erklären würde. Es wird sehr schwierig, ihn zu retten, aber man wird alle möglichen juristischen und politischen Manöver starten, um das zu versuchen.
Welche Rolle spielt die sozialdemokratische Regierung unter Pedro Sánchez in einem Vorgang, den viele »Flucht« nennen? Für Sie war Sánchez im Machtkampf in seiner Partei der Kandidat des Königshauses.
Als Sánchez 2014 Alfredo Pérez Rubalcaba an der Parteiführung abgelöst hat, wurde sogar behauptet, das Königshaus habe ihn aufgestellt. Klar ist, dass er das Einverständnis von dort hatte. Sánchez füllt seine Rolle aus, die Monarchie zu verteidigen und tut, was er kann.
Gibt es direkte Verbindungen zwischen Sánchez und dem Königshaus?
Davon ist mir nichts bekannt, aber es ist klar, dass er einen auffälligen Lebenslauf hat. Es mag Zufall sein, dass er gleichzeitig auf der gleichen Oberschule wie die Frau des heutigen Königs war, wo nur die Crème de la Crème zusammenkommt. Später studierte er an einer privaten, teuren und ultra-katholischen Universität.
Welche Rolle kommt der Monarchie am Ende der Franco-Diktatur zu? Es war schließlich Franco, der Juan Carlos als Nachfolger bestimmt hat.
Es ging darum, dem Franquismus ein neues Mäntelchen überzustreifen. Die Monarchie hatte im sogenannten Übergang zur Demokratie die Funktion, die Verbrechen der Diktatur straflos zu lassen und die Strukturen der Macht zu erhalten, wie im Militär, der Justiz und der Wirtschaft. Alles blieb unangetastet und es ging weiter wie zuvor. Nun ist die Monarchie verbrannt. Sie dient auch der Macht nicht mehr, da der »Übergang« und das Regime von 1978 immer stärker hinterfragt werden. Man ist nun bereit, die Monarchie zu beseitigen, um erneut zu versuchen, die Strukturen der Macht ohne wirkliche Veränderungen zu erhalten. Auffällig ist, dass alles auf Juan Carlos zielt und nicht auf die Unternehmen, die sich über sein Wirken bereichert haben. Die Oligarchie will sich retten, indem dem Regime erneut ein neues Mäntelchen übergezogen wird.
Warum sprechen Sie der Monarchie im spanischen Staat eine zentrale Bedeutung zu?
Franco hat den Monarchen nicht nur zum Staatschef gemacht, sondern auch zum Militärchef und ihm damit die Streitkräfte anvertraut. Man darf aber auch die symbolische Bedeutung der Monarchie in der Bevölkerung nicht unterschätzen. Deshalb wurde das Narrativ von Juan Carlos als Retter beim Putschversuch 1981 geschaffen. Darüber konnte er weitere Sektoren der Gesellschaft um sich scharen.
Wird es unter der selbst ernannten »progressivsten Regierung« zu wirklichen Reformen kommen? Könnte es ein Referendum zur Rückkehr zur Republik geben, gegen die 1936 die Generäle geputscht haben?
Nein. Ich glaube nicht, dass diese Regierung ein Referendum durchführen wird. Die Sozialdemokraten (PSOE) sind stark mit der Monarchie verstrickt. Die Partei weiß, dass auch ihre Parteigrößen mit der Monarchie umfallen würden. Sie haben regiert, während Juan Carlos seine Spielchen getrieben hat. Sie haben weggeschaut oder waren an den dunklen Geschäften beteiligt, die PSOE ist deshalb in der Zwickmühle: Sie muss Juan Carlos verteidigen. Tut sie das zu stark, fällt sie ebenfalls um, wenn er umfällt.
Und bei der Linkspartei Podemos sehe ich auch nicht, dass sie sich für die Republik einsetzen würde, nicht einmal zum Schein. Ein Beispiel macht das deutlich. Als Juan Carlos 2014 abdankte und im ganzen Land spontan viele Menschen für die Rückkehr zur Republik demonstrierten, hat Podemos sie nicht unterstützt. Parteichef Pablo Iglesias kehrte nicht aus Brüssel zurück, wo er nach den guten Ergebnissen bei den Wahlen seinen Sitz im Europaparlament einnahm. Nun war für mich klar, dass von Podemos kein solcher Prozess ausgehen würde. Heute verzögern sie. Jede Ausrede ist recht, wie gerade die Covid-19-Pandemie. Derweil beklatscht man nun König Felipe sogar, statt ihm bohrende Fragen nach seinem Vater zu stellen.
Sie haben vor 20 Jahren als »Patricia Sverlo« entscheidend zur Entmythisierung von Juan Carlos beigetragen. Ist von dem Mythos, er habe 1981 dem Putsch ein Ende bereitet und die Demokratie gerettet, noch etwas übrig?
Ja. Leider bestehen diese Lügen zu den Vorgängen fort und werden auch heute gebetsmühlenartig wiederholt. Diese Manipulation der Geschichte muss endlich aufhören. Was Juan Carlos nun tut, sei ja schlecht, aber damals … Die Lügen werden weiter jeden Tag in Medien und Universitäten gepredigt. Das ist die faschistische Mechanik, wonach eine Lüge, nur oft genug wiederholt, irgendwann zur Wahrheit wird. Alle Beweise und Wahrheiten, die längst bekannt sind, werden niedergewalzt. Der König war ein notwendiger Beteiligter und hat aktiv mitgewirkt. Der Staatsstreich am 23. Februar 1981 wurde im Königspalast mit dem Geheimdienst geplant. Es wurde sogar ein Mitarbeiter wegen der Planungen verurteilt. Sogar einige Vorbereitungstreffen fanden im Königspalast statt. An allen Treffen waren dessen Vertreter beteiligt. Zum Beispiel war Sabino Fernández Campo dabei, ehemaliger Falangist und Generalsekretär von Juan Carlos. Der verurteilte General Armada hatte eine Liste mit Mitgliedern für eine provisorische Regierung, als er ins gestürmte Parlament ging. Sie war vom Königshaus genehmigt.
Niemand hatte vor 20 Jahren versucht, den Inhalt Ihres Buchs juristisch anzugreifen. Kurz darauf wurden aber die Zeitschrift und der Verlag »Ardi Beltza« (Schwarzes Schaf) »vorläufig« verboten. Bewiesen wurden die Anschuldigungen nie, Ardi Beltza habe der baskischen Untergrundorganisation ETA gedient. Waren Ihre Enthüllungen zu Juan Carlos entscheidend, um ein weiteres Kommunikationsmedium illegal zu schließen?
Ohne Zweifel. Das Verbot stand in direktem Zusammenhang mit dem Buch. Wir hätten uns gerne gegen eine Anzeige verteidigt, denn wir konnten alles belegen, was im Buch steht. Wir hätten das Verfahren zur Werbung benutzt. Das traute man sich aber nicht, sondern man kam mit der ETA … Pepe Rei, der Direktor der Zeitschrift, verbrachte fünf Monate im Gefängnis. Dann ließ man ihn frei. Man wendete eine andere Strategie an: Totschweigen. Und die funktioniert in Spanien mit seiner Medienlandschaft gut. Man tat so, als gäbe es das Buch und die Enthüllungen nicht. Dabei, wenn Journalisten anfangen, zum König zu recherchieren, landen sie letztlich immer bei mir. Fast alle, die sich mit dem Thema beschäftigten, haben das Buch gelesen, doch niemand zitiert es. Auch ich existiere für die Öffentlichkeit kaum. Ich habe nach den Vorgängen den Journalismus aufgegeben und bin nun als Lehrerin tätig.
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