- Berlin
- Berliner Abstimmungsgesetz
Frischer Wind für Volksbegehren
Nach der Reform des Berliner Abstimmungsgesetzes hoffen Initiativen auf mehr Mitbestimmung
»Auch wenn einige Demokratie-Baustellen noch offen sind, wird diese Reform für mehr Mitbestimmung in Berlin sorgen«, lobt Regine Laroche, Landesvorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie, etwas verhalten die kürzlich vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Änderungen im Berliner Abstimmungsgesetz. Damit waren umfassende Neuregelungen für Volksbegehren und Volksentscheide beschlossen worden. So soll eine Reihe von Gesetzesänderungen gewährleisten, dass die erfolgreiche Umsetzung der Abstimmungen künftig vereinfacht wird. Rot-Rot-Grün setzt damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um und könnte in Berlin, so die Hoffnung verschiedener Initiativen, für frischen Wind in Sachen direkter Demokratie sorgen.
Zu den Kernpunkten der neuen Regelungen gehört, dass Initiativen nun Anspruch auf eine Kostenerstattung für ihre Öffentlichkeitsarbeit anmelden können. Bis zu 35 000 Euro können sich Initiativen, die einen Volksentscheid anstreben, jetzt für ihre Aufwendungen erstatten lassen. Außerdem müssen Volksentscheide künftig zusammen mit Wahlen abgehalten werden, wenn dies gewünscht wird. Die Zeit zur Prüfung der Zulässigkeit eines Volksbegehrens durch den Senat ist zugleich auf fünf Monate begrenzt.
Was war letzte Woche noch mal wichtig in Berlin? Plop und Zisch! Aufgemacht! Der Podcast „Rote Brause“ liefert dir alle wichtigen News aus der Hauptstadtregion in nur 15 Minuten.
Bisherige Regelung zermürbend
Gerade die langwierige Zulässigkeitsprüfung von Volksbegehren »zermürbt Initiativen«, hat Marie Jünemann von der Berliner Initiative Volksentscheid Transparenz erfahren müssen. Seit mittlerweile 296 Tagen warten sie bereits darauf, dass der Senat die Prüfung der eingereichten Unterschriften und eine rechtliche Bewertung abschließt. In ihrem Volksbegehren fordern die Aktivisten, dass Behörden und Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft interne Informationen kostenfrei offenlegen müssen.
Das prominente Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« musste sogar ganze 441 Tage warten, bis die rechtliche Prüfung durch die Senatsinnenverwaltung dann endlich abgeschlossen war und ihnen vor gut einem Monat die Zulässigkeit bescheinigt wurde.
Die aktuellen Gesetzesänderungen gehen zum Teil auf jahrelange Forderungen des Vereins Mehr Demokratie zurück. Vor allem die zwingende Zusammenlegung von Volksentscheiden mit Wahlen sei ein wichtiger Aspekt, um das bei diesen Abstimmungen geforderte Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten zu erreichen, erläutert Sprecherin Regine Laroche.
Quorum selten erreicht
In der Geschichte zeigt sich, dass Abstimmungen, die nicht mit Wahlen zusammenfallen, in aller Regel das geforderte Quorum verfehlen. Christoph Rinke von Bürgerenergie Berlin hat 2013 erfahren, wie der seinerzeit vom Berliner Energietisch initiierte Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Energieversorgung in der Hauptstadt knapp daran scheiterte. Er ist sich sicher: »Der damalige Senat hat die Abstimmung extra nicht zusammen mit einer Wahl stattfinden lassen, um die Erfolgsaussichten zu mindern.«
Eine Ausnahme stellt nur der 2008 mit überwältigender Mehrheit angenommene Volksentscheid zur Offenlegung der Geheimverträge zwischen dem Senat und den Unternehmen Veolia und RWE über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserversorgung dar. Obwohl die Abstimmung unabhängig von Wahlen stattfand, wurde erstmals in Berlin das nötige Quorum übertroffen - 27,5 Prozent der Berechtigten nahmen an der Abstimmung teil - 98,2 Prozent waren für eine Ende der Geheimniskrämerei.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.