Domino im Einkaufszentrum

Die Kaufhof-Filiale in Hohenschönhausen macht dicht, andere Geschäfte folgen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.
Erst noch Ramschverkauf, dann die Leere: Ab diesem Wochenende bleibt über ein Viertel der Fläche des Linden-Centers geschlossen.
Erst noch Ramschverkauf, dann die Leere: Ab diesem Wochenende bleibt über ein Viertel der Fläche des Linden-Centers geschlossen.

»Alles muss raus«, steht auf großflächigen Plakaten an den Eingängen zum Kaufhof in Neu-Hohenschönhausen. Sehr viel ist am Mittwochabend allerdings nicht mehr übrig, was hier raus kann: ein paar Jeans für zehn Euro, ein Regal mit Tassen und Nippes, ein Tisch mit - warum auch immer man das jetzt kaufen will - Osterdeko. Am Samstag gehen in der Warenhausfiliale im Linden-Center nach 25 Jahren endgültig die Lichter aus.

Das Haus ist eines von über 40 in ganz Deutschland, das den »Sanierungserfolgen« des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof zum Opfer fällt (»nd« berichtete). Möglicherweise mit Folgen für die gesamte Großwohnsiedlung. »Ich befürchte in Hohenschönhausen einen heftigen Dominoeffekt«, sagt Ines Schmidt von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, die ihren Wahlreis in dem Lichtenberger Ortsteil hat.

Tatsächlich geht es im Linden-Center zurzeit Schlag auf Schlag: Nach dem Kaufhof wird Ende November auch die Filiale einer großen Modekette geschlossen, andere Geschäfte im Bekleidungsbereich haben bereits dicht gemacht. Das Einkaufszentrum am Prerower Platz kämpft mit einem Leerstand, der schon jetzt nur schwer zu übersehen ist.

Dass es gelungen ist, »nahezu alle« der 51 Angestellten der Kaufhof-Filiale »in neuen Beschäftigungsverhältnissen unterzubringen«, sei zwar »eine gute Nachricht«, so Linke-Politikerin Schmidt. Aber sie habe Angst, dass die Kaufhof-Schließung Auswirkungen über das Center hinaus haben wird und »dass das hier bei uns in Hohenschönhausen bald so wird wie in den Vorstädten von Paris«, sagt Schmidt mit Blick auf die Großwohnsiedlungen am Rand der französischen Hauptstadt, die als soziale Brennpunkte gelten.

Center-Manager Michael Dittrich versucht derweil, Optimismus zu verbreiten. »Wir haben 78 Mieter, die gut funktionieren«, sagt Dittrich und verweist auch auf den neuen »Resteladen«: »Der läuft extrem gut.« Allerdings nimmt allein der Kaufhof mehr als ein Viertel der gesamten Verkaufsfläche der Shoppingmall ein. Der aktuelle Werbespruch des Einkaufszentrums wirkt angesichts der Leere dann auch etwas überarbeitungswürdig: »Linden-Center. Was wollen Sie mehr.«

Über Zwischen-, gar Nachmieter der Kaufhof-Fläche will der Center-Manager nicht sprechen. »Da ist nichts unterschrieben«, sagt Dittrich zu »nd«. Klar ist aber, dass man die drei Etagen komplett umbauen, die Rolltreppen rausreißen und die Zwischendecken schließen will. In den drei so neu entstehenden Geschäften »soll dann das alte Kaufhaussortiment aufgefangen werden«. Vor Anfang 2023 werde der Umbau aber nicht abgeschlossen sein. Über die Schließung der Filiale selbst sagt Dittrich nur: »Ich habe die Entscheidung nicht verstanden.« Der Ortsteil entwickele sich schließlich »sensationell«.

Das sieht Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) genauso. Der Bevölkerungszuwachs in Neu-Hohenschönhausen gehe mitnichten nur auf »Abgedrängte aus der Innenstadt« zurück, so Grunst. Die von seiner Parteifreundin Schmidt befürchtete Verödung sieht er so nicht, wobei er zugleich große Hoffnung auf ein Bauvorhaben des Bezirks setzt, das zwischen Linden-Center und S-Bahnhof Hohenschönhausen realisiert werden soll. Geplant sind auf der landeseigenen Fläche Hunderte Wohnungen und ein Kunst- und Bildungszentrum, inklusive der Anna-Seghers-Bibliothek, die bislang im Einkaufszentrum untergebracht ist. Das alles ist selbstredend noch Zukunftsmusik. Der für Dezember vorgesehene Start des städtebaulichen Wettbewerbs ist zuletzt auf Frühjahr kommenden Jahres verschoben worden.

Ines Schmidt ist eine begeisterte Fürsprecherin des Projekts. »Wer investiert denn sonst bei uns in Hohenschönhausen? Dabei leben hier so tolle Menschen. Man müsste in die Gegend nur etwas Geld reinstecken.« Bei aller Freude über das Vorhaben des Bezirks treibt Schmidt vor allem die Sorge um die nahe Zukunft um. Ihr geht es da ähnlich wie dem Rentner, der am Mittwoch im Linden-Center vor den verschlossenen Glastüren im bereits leer geräumten Obergeschoss des Kaufhofs steht und sich den dort angebrachten »Abschiedsbrief« durchliest. »Alle Sachen, die man braucht, gehen hier in der Gegend weg«, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. »Das ist doch traurig.«

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