- Politik
- Brasilien
Schein-Heiliger
Operation »Desvid-19« brachte einen brasilianischen Senator ins Straucheln
Die öffentlichen Haushalte in Südamerikas Riesenland Brasilien sind seit jeher löchrige Töpfe. Bei der Vergabe von Aufträgen wird gern etwas daneben geschüttet, damit eine Hand die andere waschen kann. Wo in unseren Breiten die Wirtschaft einer Ethik folgt, sich Politiker von Lobbyisten lediglich beraten lassen, während sie selbst die Unternehmen für Peanuts streng beaufsichtigen, wird in Brasilien per Geldköfferchen schamlos geschmiert. Der Kampf der Behörden gegen die kriminellen Verflechtungen von Wirtschaft und Politik ist episch.
Im neuesten Teil der Endlos-Telenovela geht es um den illustren Senator Chico Rodrigues, der im Oberhaus des Kongresses den an Venezuela, Guyana und den Arsch der Welt grenzenden nördlichsten Bundesstaat Roraima vertritt. Im Senat ist Rodrigues Vize-Sprecher des Lagers der Regierung, dazu ernannt von Präsident Jair Bolsonaro. Noch. Denn am Mittwoch erhielt der Politiker der wirtschaftsliberalen Demokraten daheim in Boa Vista überraschend Besuch von der Bundespolizei. Die von einem obersten Richter autorisierte Durchsuchung war Teil der Operation »Desvid-19« zu unlauteren Geschäften mit Geldern, die zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie in den Wahlkreisen bezogen wurden. Als die Polizisten auftauchten, hatte unser Held die Hose so voll, dass die Beamten genauer nachsahen. Direkt am Mann befand sich die hübsche Summe von 30 000 Real, in gebrauchten Scheinen. Ein Sittengemälde, das in die Annalen eingehen dürfte.
Der 1951 in Pernambuco geborene Rodrigues ist studierter Agrarwissenschaftler. Bevor er sich ganz aufs Politikgeschäft verlegte, war er in Roraimas behördlichem Planungswesen tätig. Rodrigues nahm die Ochsentour vom Stadtrat hinauf in die Parlamente, 2011 bis 2014 war Vize-, kurze Zeit sogar Gouverneur seines Bundesstaats. Seit 1987 tingelte er nach Konjunkturlage durch neun verschiedene Mitte-rechts-Parteien. Aber auch das ist hier üblich.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.