Paddelboom zur rechten Zeit

Kanu- und Skiverband kommen noch gut durch die Coronakrise

Es wurde nicht genannt, das Signalwort »Zuschauerausschluss«. Diese Omission sorgte am späten Mittwochabend bei Veranstaltern, Verbänden und Vereinen für kollektives erleichtertes Ausatmen. 42 Minuten lang war die Pressekonferenz nach der Marathonberatung von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder, in der debattiert worden war, wie auf die steigenden Corona-Infektionszahlen reagiert werden sollte. Von einer Rückkehr zum Lockdown bei Sportvereinen oder zu Geisterspielen im Profisport war keine Rede. Dennoch ist die Erleichterung nur momentan. Laut Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Deloitte fürchtet jeder zweite im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) organisierte Verband beim Anhalten der Krise bis Ende 2021 um ihre Existenz.

Die Daten sind anonymisiert, doch beliebte Hallensportarten wie Eishockey, Hand-, Volley- und Basketball dürften am stärksten betroffen sein. Hier sind die Ausfälle bei den Zuschauereinnahmen am größten, ohne dass sie wie beim Fußball von TV-Geld aufgefangen werden.

Jeder zweite Verband fürchtet um seine Existenz
 Die Angst vor einem finanziellen Kollaps wird im deutschen Sport immer größer. Laut einer vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in Auftrag gegebenen Befragung zu den »Corona-Schäden für Sportdeutschland« schätzt die Hälfte der DOSB-Verbände bei einem Anhalten der Krise bis Ende 2021 ihre Existenz als gefährdet ein. 
Je nach Limitierung der Zuschauer müssen sie in diesem Jahr mit einem Ertragsrückgang von insgesamt rund 148 bis 162 Millionen Euro rechnen. Der größte Anteil entfällt demnach auf Sponsoring (minus 25 bis 28 Millionen) und Ticketing (22 bis 26 Millionen). Dem gegenüber stehen Einsparungen durch Absagen von Großveranstaltungen, Personal- und Reisekosten oder Fördermaßnahmen von rund 108 bis 124 Millionen Euro, einiges davon ist jedoch zweckgebunden und muss eventuell an den Bund zurückgezahlt werden. »Es deutet vieles darauf hin, dass die Schäden von Mal zu Mal deutlich größer werden«, warnte DOSB-Präsident Alfons Hörmann vor weiteren Einschränkungen. Verbände könnten von heute auf morgen zahlungsunfähig werden. Jene, die ausreichend Rücklagen haben, um zu überleben, »kann man an einer Hand abzählen«, meinte Hörmann.
Das Corona-Hilfsprogramm des Bundes für Klubs der professionellen und semiprofessionellen zweiten und dritten Ligen in Höhe von 200 Millionen Euro ist bisher nicht so genutzt worden wie erwartet. Zu viel Bürokratie und zu komplexe Ausführungsbestimmungen sind Gründe dafür. Laut Bundesverwaltungsamt hätten bisher nur 56 Klubs Anträge gestellt und knapp 16,9 Millionen Euro beantragt. Der DOSB bemüht sich nun, das bis Ende 2020 befristete Programm auf 2021 auszuweiten. Die kommenden Jahre würden »sehr stark davon geprägt sein, wie wir wirtschaftlich, strukturell und personell überleben«, so Hörmann. dpa/nd

Bei den olympischen Medaillenlieferanten im Winter und Sommer, dem Deutschen Skiverband (DSV) und dem Kanu-Verband (DKV), sieht es noch nicht ganz so dramatisch aus, obwohl etwa der DSV mehr als 30 Weltcuptage im Winter organisiert. Die größten Zuschauermagnete sind die Vierschanzentournee und Biathlonweltcups. »Und in dieser Saison kommt ein Highlight dazu: die Nordische Ski-WM in Oberstdorf Ende Februar«, sagt Stefan Schwarzbach, DSV-Geschäftsführer Marketing gegenüber »nd«.

Im Vergleich zu anderen Sportarten habe man jedoch Vorteile: Die Veranstaltungen finden draußen statt und oft auf großen Flächen, wo Zuschauer leichter zu verteilen sind. Temporäre Zusatztribünen können einfach weggelassen werden. »Manche Veranstalter gehen mit einem Notprogramm bei plus/minus null raus«, beschreibt Schwarzbach die Lage. »Anderen fehlen aber Zuschauereinnahmen im sechsstelligen Bereich. Unsere Aufgabe ist es, dort die Lücken zu schließen«, schließlich habe der DSV die Weltcups ja bei den Dachverbänden beantragt. »Definitiv ist mit Verlusten zu rechnen. Die wären aber noch nicht existenzbedrohend. Mit heutigem Stand rechnen wir je nach Bundesland mit ungefähr 20 Prozent Auslastung.« Die Hygienekonzepte seien aber so flexibel, dass noch reduziert oder erweitert werden könnte.

Der Deutsche Kanu-Verband beklagt bereits Verluste. »Uns sind Sponsoreneinnahmen weggebrochen. Und wir konnten keine Werbeeinnahmen bei internationalen Veranstaltungen generieren. Da kommt ein sechsstelliger Verlust zusammen. Der bedroht noch nicht die Existenz, aber er tut weh«, sagt DKV-Präsident Thomas Konietzko, dessen Verband im Sommer für zwei Monate Kurzarbeit eingeführt hatte. Einige Sponsoren der Nationalmannschaft hatten ihr Engagement unterbrochen, dafür aber einen Wiedereinstieg im nächsten Jahr zugesagt, wenn die Olympischen Spiele nachgeholt werden sollen. »Wir hoffen, wenn die wirtschaftliche Lage sich nicht noch weiter verschlechtert, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen.«

Dieses Bild nutzt auch Stefan Schwarzbach: »Bei uns sind noch keine Sponsoren abgesprungen. Sie zielen vor allem auf TV-Zuschauer. Solange wir hochwertige Weltcups durchführen und ein gutes TV-Bild produzieren, kommen wir mit einem blauen Auge durch.« Allerdings wird die Basisarbeit erschwert. Die Finanzierung von Nachwuchsrennen oder Skischulfahrten ist nicht überall gesichert. Ein Vorteil ist aber, dass der DSV seinen Wirtschaftsbetrieb in GmbHs ausgegliedert hat. »Dadurch dürfen wir Rücklagen bilden. Wir überstehen schon mal eine kleine Durststrecke, aber auf Dauer lässt sich das auch nicht durchhalten.« Schließlich steigen die Kosten, etwa für Hygienekonzepte und Coronatests (jeweils im sechsstelligen Bereich). Das fresse die Einsparungen durch ausgefallene Trainingslager schnell auf.

In anderen Verbänden, die wie die Kanuten gemeinnützige Vereine sind, ist das Problem größer. »Was wir an Förderung für Trainingslager einsparen, können wir nicht umleiten, sondern müssen es an den Bund zurückzahlen«, sagt Thomas Konietzko. »Der DKV hat keine Rücklagen. Größere Einnahmeausfälle würden uns in eine wirtschaftliche Schieflage bringen.« Profitieren konnte man glücklicherweise vom Paddel-Boom im Sommer, sei es beim Stand-up oder im Wanderboot. So stiegen hier sogar die Mitgliederzahlen in den Vereinen. »Dadurch sind wir nicht in eine so schwierige Situation geraten wie unsere Freunde von den Mannschaftssportarten.«

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