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Die Stadt ist seine Beute
Eigentümer Gijora Padovicz setzt auf schrankenlose Immobilienverwertung.
Ich habe die Besteckschublade aufgemacht und überall waren Kakerlaken«, berichtet Robert. Seit vielen Jahren ist er Mieter in der Simon-Dach-Straße 32 in Berlin-Friedrichshain. Er heißt eigentlich anders, aber mit dem Hausbesitzer, der Immobiliengruppe von Gijora Padovicz, möchte er sich nicht direkt anlegen. Jenem Mann, der in der vergangenen Woche die Räumung des queerfeministischen Wohnprojekts »Liebig34« durchsetzte und daraufhin aggressive Security vor dem Haus postierte.
Seit Wochen geht der Kammerjäger in der Simon-Dach-Straße 32 ein und aus, zuletzt am Freitag. Eine Rattenplage gibt es schon seit Längerem, nun also auch noch Kakerlaken. »Ich habe schon so viele Lebensmittel weggeschmissen, ich wasche alles Geschirr noch einmal ab, bevor ich es benutze. Hinzu kommt das Gefühl, dass du nicht weißt, ob die nachts über dein Bett krabbeln.«
Die Kakerlaken kamen aus mindestens einer Wohnung, in der wahrscheinlich Bauarbeiter untergebracht worden sind. »Man hat die Stockbetten in den Räumen von außen durch die Fenster gesehen«, sagt Robert. Im März, einen Tag vor dem Lockdown, haben die Behörden dort eine regelrechte Razzia durchgeführt. Gesundheitsamt, Wohnungsaufsicht, Jobcenter: Für jeden gab es etwas zu tun. Ob die Bauarbeiter da schon weg waren oder erst kurz darauf, kann Robert nicht mehr sagen. Auf jeden Fall hatten sie fast fluchtartig die Wohnung verlassen und jede Menge Lebensmittel hinterlassen. Die Räume standen leer, die Kakerlaken konnten sich ungestört vermehren.
Nur die Fassade ist gestrichen, in den Treppenhäusern ist schon lange nichts mehr gemacht worden. Im Hof steht allerlei Gerümpel, an der Tür zum Durchgang kleben Zettel in arabischer Sprache. Sie weisen auf die korrekte Müllentsorgung hin. Das deutet auf einen neuen Geschäftszweig in den Padovicz-Häusern: Wohnungen werden an Flüchtlinge vermietet, teilweise zimmerweise. Es kann also sein, dass eine Familie gleich mehrere Mietverträge hat. Der »Tagesspiegel« berichtete im vergangenen Jahr über ein Haus aus dem Padovicz-Reich in Berlin-Grünau. In der Büxensteinallee wohnte demnach eine Frau mit neun Kindern in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. »Die Mutter und die zwei ältesten Kinder haben jeweils einen Mietvertrag. Sie zahlen, alle drei Verträge zusammengerechnet, 1900 Euro pro Monat«, heißt es in dem Artikel. Aus weiteren Häusern berichten Mieter ähnliche Geschichten.
Ferdinand Wrobel, der Anwalt von Gijora Padovicz, bestätigt auf nd-Anfrage das Ungezieferproblem, nachdem die zuständige Hausverwaltung Vivo auf eine Anfrage nicht reagiert hatte. »Dies ist allerdings in einer Großstadt nichts Ungewöhnliches und wurde sofort mit entsprechenden Maßnahmen bekämpft. Ihre Ausführungen zur Ursache sind reine Mutmaßung und werden in Abrede gestellt«, heißt es weiter. Eine Überbelegung sei »derzeit nicht bekannt«. Soweit es zu Überbelegungen durch Mieter in einer Wohnung gekommen sei, seien die entsprechenden mietrechtlichen Veranlassungen getroffen worden, »mehr kann beziehungsweise konnte der Vermieter nicht tun«.
Den Großteil seines Immobilienbesitzes, der sich besonders in Berlin-Friedrichshain konzentriert, hat Padovicz in den 90er Jahren erworben. Er soll damals in Israel massenweise Rückübertragungsansprüche von in der Nazizeit enteigneten Hausbesitzern zu Spottpreisen gekauft und dann das langwierige bürokratische Verfahren durchgefochten haben.
Maximale Immobilienverwertung - das scheint das Motto des 68-Jährigen zu sein, zu dessen Familienbesitz wohl Hunderte Häuser gehören. Wenn man in Friedrichshain einen Geldautomaten direkt im Hauseingang stehen sieht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um ein Haus der Padovicz-Gruppe handelt. In mindestens einem Fall war der verbliebene Durchgang so schmal, dass der feuerpolizeilich vorgeschriebene Fluchtweg nicht mehr breit genug war.
Das Haus in der Simon-Dach-Straße 32, so macht es den Eindruck, wird langsam zur Renovierung vorbereitet. Jeder Altmieter, der verschwindet, erhöht den Gewinn. Da kann es nicht schaden, wenn der Lärmschutz vor der Kneipe im Erdgeschoss nicht allzu professionell ausgeführt wird. »Weil die Kamine nicht gedämmt wurden, wird jedes Geräusch von unten in meine Wohnung getragen«, beklagt Robert. »Auszug ist keine Option für mich. Wo sollte ich denn hier noch eine bezahlbare Wohnung finden?«
Das prächtige Eckhaus Frankfurter Allee 84/Finowstraße 1 ist nicht weit weg von Roberts Haus. Seit vielen Jahren ist es eine Baustelle, auf der allerdings nicht viel gebaut wird. Im Mai 2018 wurde es aus Protest gegen den angesichts fehlenden Wohnraums unerträglichen Leerstand in Berlin kurzzeitig besetzt. Immerhin hat es mittlerweile wieder ein Dach. Rund zwei Jahre war das denkmalgeschützte Haus, in dem einst unter anderem Gregor Gysi seine Kanzlei hatte, nur mit einer Plane gesichert, teilweise nicht einmal das. Während der Arbeiten ist auch ein Teil des Ziergiebels eingestürzt. »Wir hatten Angst, dass wir von einem Brocken erschlagen werden«, berichtet ein Nachbar. »Die Dauer der Arbeiten ist unter Beachtung des Umfangs der Maßnahmen als normal zu bewerten«, entgegnet Padovicz-Anwalt Wrobel, die Baustelleneinrichtung sei »fachgerecht«.
Bis auf eine Wohnung steht das Haus Krüllsstraße 12 in Berlin-Treptow seit über drei Jahren leer. Padovicz möchte sanieren und das Dachgeschoss ausbauen. Da Klagen auf Duldung der Maßnahmen anhängig gewesen seien, »stellt dieser Umstand keine Zweckentfremdung von Wohnraum dar«, erklärt der Treptow-Köpenicker Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) auf nd-Anfrage. Seit August hätten die Wohnungen wieder vermietet werden müssen. Da es bis heute keine Baugenehmigung gebe, konnte der Bauherr die Maßnahmen nach wie vor nicht beginnen, so Igel. »Sollte der Antrag auf Baugenehmigung jetzt abgelehnt werden, wird die Wiederzuführung der Wohnungen betrieben«, versichert der Bezirksbürgermeister.
Doch nicht nur auf Vernachlässigung und Leerstand versteht sich die Padovicz-Gruppe. Sie ignoriert teilweise auch die Auflagen, die mit der Gewährung von Fördergeldern für die Sanierung einhergehen. Für über 20 Friedrichshainer Häuser hatte er diese Ende der 90er Jahre erhalten. Oft verlangte er eine höhere Miete als demnach eigentlich zulässig war. Nur in einem einzigen Fall gelang es dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nach elfjährigem Rechtsstreit, eine nennenswerte Summe zurückzubekommen.
Mit dem nahenden Ablauf der Bindungsfristen ist der findige Unternehmer auf die Idee verfallen, in Mietverträge eine substanzielle Erhöhung auf Beträge um die 15 Euro zu schreiben, die automatisch ab dem Stichtag gelten soll. »Ich gehe davon aus, dass das unter den Mietendeckel fällt. Die betroffenen Mieter sollten sich auf jeden Fall an das Bezirksamt wenden«, sagt Gaby Gottwald, Mietenpolitikerin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Tatsächlich könnte eine konsequente Durchsetzung des Mietendeckels die Padovicz-Gruppe einiges an Rendite kosten.
Die Verwaltung hat sich an dem skrupellosen Immobilieneigentümer nicht nur einmal die Zähne ausgebissen. Er ist berüchtigt für eine schier endlose juristische Verschleppungstaktik.
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