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Staatseinstieg, Verkauf oder Weiter so
3000 Mitarbeiter von Thyssen-Krupp demonstrierten für eine Beteiligung des Landes
Eigentlich sollte bei Thyssen-Krupp alles besser werden. Anfang des Jahres verkaufte der Konzern aus dem Ruhrgebiet seine profitable Aufzugsparte für 17 Milliarden Euro. Das Geld war dafür vorgesehen, die im Konzern verbliebenen Unternehmenssparten zu sanieren. Auch sollte die Stahlproduktion »grün« werden. Landes- und Bundespolitiker informierten sich vor einigen Wochen am Standort Duisburg über ein neues Verfahren, bei dem Stahl mit Wasserstoff hergestellt werden soll. Thyssen-Krupp will damit Vorreiter für die emissionsfreie Indus-trieproduktion der Zukunft werden.
Dieser Wandel ist jetzt in Gefahr, denn der Verbleib der Stahlsparte, mit der einst bei Thyssen und bei Krupp alles anfing, scheint höchst fraglich. 700 Millionen Euro Verlust gab es im Stahlbereich bislang in diesem Jahr. Die deutsche Autoindustrie nimmt, auch corona-bedingt, nicht mehr so viel Stahl ab. Der von der ehemaligen Bosch-Managerin Martina Merz geführte Konzernvorstand von Thyssen-Krupp will nun handeln. Investoren wie die schwedische Investmentgesellschaft Cevian dringen weiterhin darauf, die Verlustgeschäfte abzustoßen. Die Stahlsparte soll wohl verkauft werden.
Für eine andere Option macht sich die IG Metall stark: ein Einstieg des Staates wie etwa bei der Lufthansa. »Schaut man sich die Landschaft der Stahlunternehmen in Deutschland an, liegt eine Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen an Thyssen-Krupp Steel auf der Hand«, erklärt Jürgen Kerner - das IG-Metall-Vorstandsmitglied sitzt auch im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. Der Staat sei hier gefragt, denn es gehe um Klimaschutz, die Sicherung von Wertschöpfungsketten und die Arbeitsplätze. 27 000 Jobs gebe es in der Stahlsparte, weitere 15 000 kämen noch indirekt hinzu. Lasse der Staat die Stahlbranche »sterben«, käme der Stahl in Zukunft aus China, Russland oder der Türkei, wo er mit Sicherheit nicht klimaneutral produziert werde. Deswegen müsse Deutschland seine Industrie jetzt unterstützen. Die Stahlproduktion sei außerdem »systemrelevant«, weil sie die geschlossene Wertschöpfungskette von der »Grundstoffindustrie bis zum fertigen High-End-Produkt« stütze.
Tekin Nasikkol, Betriebsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp Steel, verweist noch auf einen weiteren Aspekt: »Wenn VW einen neuen Golf konstruiert, kommen die zu uns, um die Außenhaut zu planen. Wir wissen also zwei, drei Jahre, bevor ein neues Modell vom Band läuft, wie es aussieht. Da braucht es Vertrauen und verlässliche Zusammenarbeit.« Wenn es keine Stahlproduktion in Deutschland mehr gäbe, müssten das die Autohersteller zum Beispiel mit chinesischen Unternehmen machen. »Ich glaube kaum, dass sie das wollen«, so Nasikkol weiter.
Ohnehin sei ein Staatseinstieg in der Stahlbranche nichts Besonderes, argumentiert die Gewerkschaft. Niedersachsen sei an der Salzgitter AG beteiligt, und das Saarland habe seine Beteiligung an Saarstahl in eine Stiftung überführt.
Ein neuer Vorschlag ist das auch in NRW nicht. Im Landtagswahlkampf 2017 forderte die Linke eine Stahlstiftung nach saarländischem Vorbild, wurde mit dieser Idee damals aber wenig beachtet. Landessprecher Christian Leye erneuert nun diese Forderung: »Wir müssen uns trauen, bei Schlüsselindustrien neue Wege in den Eigentumsverhältnissen zu gehen.« So sei es möglich, etwas für den Klimaschutz zu tun und durch die Beteiligung von Beschäftigten, Gewerkschaften sowie Landes- und Kommunalpolitik »den Kurs demokratisch mitzubestimmen«.
Keine Unterstützung für eine Staatsbeteiligung bei Thyssen-Krupp gibt es bisher von der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Auch deshalb demonstrierten am Freitag 3000 Beschäftigte auf den Düsseldorfer Rheinwiesen - unter Einhaltung der Abstandsregeln. Die DGB-Chefin in NRW, Anja Weber, forderte bei der Kundgebung die Landesregierung auf, »ideologische Entfesselungsspielchen« zu beenden und den Weg freizumachen für eine Staatsbeteiligung. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der ebenfalls auf der Kundgebung sprach, gab aber keine Signale in diese Richtung. Er erklärte lediglich, dass Stahl »systemrelevant« sei und Thyssen-Krupp »zur DNA« von Nordrhein-Westfalen gehöre. Finanziell sei das Land außerdem bereit, den Übergang zur »grünen« Stahlproduktion zu unterstützen.
Am Wochenende wurde bekannt, dass das britische Unternehmen Liberty Steel bereits ein Angebot für die Stahlsparte von Thyssen-Krupp abgegeben hat. Dies sorgt im Ruhrpott für Unmut, denn der Konzern gilt als Billiganbieter. Ein anderer Interessent soll nach Informationen des »Spiegel« der britisch-indische Konzern Tata sein. Eine vor drei Jahren geplante Fusion der Stahlgeschäfte von Tata und Thyssen-Krupp war an nicht erfüllbaren Kartellauflagen gescheitert.
Laschet richtete bei der Kundgebung die Botschaft an die Adresse von Liberty Steel, Thyssen-Krupp sei nicht zu »Billigbedingungen« zu haben. Der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Sozialpartnerschaft gehörten zur Stahlproduktion im Ruhrgebiet. Wenigstens in diesem Punkt sind sich Landesregierung und Gewerkschaft einig.
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