Schattenspender für Altersheime

Bundesregierung legt neue Strategie für Anpassung an den Klimawandel vor

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch für erfahrene Politiker dreht sich die Welt schneller als gedacht. Vor einigen Jahren hätte sich Svenja Schulze nicht vorstellen können, dass es in Deutschland Gemeinden geben wird, die Wasserknappheit haben. »Vor vier, fünf Jahren haben wir auch noch nicht darüber nachgedacht, ob Kinderspielplätze eine Verschattung brauchen. Wir dachten, Kinder können einfach draußen spielen.« Doch dies hat sich geändert. Auch alte Menschen in Pflegeheimen könnten aufgrund von Hitzewellen mitunter im Sommer nicht mehr einfach so vor die Tür gehen.

Drei Beispiele, mit denen die SPD-Bundesumweltministerin am Mittwoch die zum Teil dramatisch veränderte Lage in Sachen Klimawandel beschrieb. Auf einer Pressekonferenz stellte sie den frisch vom Bundeskabinett beschlossenen Fortschrittsbericht zur Klimaanpassung vor.

»In Deutschland kommt der Klimawandel als Hitzewelle, als Dürre, als Waldbrand, als Starkregen oder als Überflutung an«, zählte die SPD-Ministerin die sich mehrenden Plagen auf. Diese hätten ganz erhebliche Auswirkungen auf Wohlstand und Gesundheit der Menschen, sagte Schulze. Zwar gebe es zur Frage, wie teuer die Folgen des Klimawandels werden, keine genauen Zahlen - es sei aber klar, dass die Kosten deutlich höher seien als die für Klimaschutzmaßnahmen.

Bei der vorgelegten Anpassungsstrategie gehe es vor allem darum, Deutschland »klimafest« zu machen, betonte die Ministerin. Der aktuelle Katalog umfasst dazu um die 180 Maßnahmen. Neu gegenüber dem fünf Jahre alten Vorläuferbericht ist, dass soziale Einrichtungen mit bis zu 150 Millionen Euro gefördert werden sollen. Beschlossen ist auch ein Waldklimafonds, der mit 800 Millionen Euro bis 2023 ausgestattet ist. Schließlich soll auch ein Klimaschadenskataster aufgebaut werden. Man wisse um die Schäden, und es gebe eine Vielzahl von Daten, aber diese seien nicht an einem Ort gebündelt, begründete die Ministerin die Notwendigkeit eines solchen Verzeichnisses.

Die 150 Millionen Euro, die für Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime gedacht sind, können für Dach- und Fassadenbegrünungen genutzt werden, für Schattenspender wie Sonnensegel oder Pavillons. Interessierte Einrichtungen und soziale Unternehmen können darüber hinaus fachliche Beratung finanziert bekommen, um jeweils passfähige Konzepte zu entwickeln. »Damit werden ganz besonders die geschützt, die gefährdet sind«, erklärte Schulze. Oft fehlten Alten- und Pflegeheimen, Kindertagesstätten oder Krankenhäusern die Mittel, um ausreichend vorzusorgen. Anträge von finanzschwachen Kommunen und gemeinnützigen Vereinigungen, die bis zum 30. Juni 2021 eingehen, können laut Ministerium in manchen Fällen bis zu 100 Prozent gefördert werden.

Vorsorge ist billiger und menschenorientierter, betonte Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), bei der Vorstellung des Berichts. Für ihn geht es vor allem um mehr Resilienz, um mehr Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegen die Klimakrise. Sehr lange sei die Gesellschaft auf Effizienz getrimmt worden, man brauche nun aber Resilienz, Robustheit und mehr Prävention. »Wir sind nicht besonders stark im präventiven Handeln«, kritisierte Messner.

Klimaanpassung ist für den UBA-Präsidenten dabei weit mehr als ein notwendiges Übel. Eine nachhaltige Anpassung an die Klimaveränderungen könne auch die Lebensqualität in Deutschland verbessern. Begrünte Dächer und Gebäudefassaden verminderten die Hitze, machten daher Städte und Dörfer lebenswerter.

Während solche Vorhaben die »grüne« Infrastruktur verbessern, soll künftig auch die »blaue« ertüchtigt werden, beispielsweise durch wasserdurchlässige Radwege oder Plätze, die mit wasserspeichernden Baustoffen ausgestattet sind. Solche Maßnahmen würden, so der UBA-Präsident, nicht nur gegen den Klimawandel helfen. »Grün und Blau in den Städten, das ist doch das, wonach wir als Bürger suchen«, so Messner.

Der UBA-Präsident plädierte bei den Anpassungsmaßnahmen auch für mehr »naturbasierte« Lösungen. Renaturierte Fluss- und Feuchtgebiete, mehr Raum für Natur in den Städten, bodenschonende Verfahren in der Landwirtschaft - das alles seien Beispiele dafür, wie Klimaanpassung ökologischen, ökonomischen sowie sozialen und kulturellen Nutzen entfalte.

Bleibe es allerdings beim derzeitigen Klimapfad mit einer Erderhitzung um drei Grad, sei jede Anpassungsstrategie überfordert, warnte Messner. Für Deutschland bedeuteten drei Grad mehr, dass die Temperaturen in Berlin im Schnitt so wie in Madrid sein werden - in Madrid so wie heute in Marrakesch in Marokko und in Marrakesch so hoch wie an Orten, an denen schon heute kaum jemand mehr auf die Straße gehen könne.

»Was machen wir mit den Marrakeschs dieser Welt?«, fragte Messner rhetorisch. Darin zeige sich die ganze Wucht der Problematik: »Ohne ambitionierten Klimaschutz ist alles nichts.« Anpassung und Klimaschutz seien zwei Seiten einer Medaille.

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