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Polens oberstes Gericht macht Weg für Verschärfung von Abtreibungsverbot frei
Verfassungsgericht in Warschau erklärte bisher geltende Ausnahmeregelung für verfassungswidrig
Warschau. Polen steuert auf eine weitere Verschärfung seines ohnehin strengen Abtreibungsrechts zu. Das Verfassungsgericht in Warschau erklärte am Donnerstag eine bisher geltende Ausnahmeregelung vom Abtreibungsverbot für verfassungswidrig. Scharfe Kritik an der Entscheidung kam von Menschenrechtsaktivisten und der polnischen Opposition.
Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) setzt sich seit Jahren für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen ein. Sie will, dass Schwangerschaftsabbrüche nur noch dann möglich sind, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist oder sie in Folge einer Vergewaltigung oder durch Inzest schwanger geworden sind.
Polen hat bereits jetzt eines der striktesten Abtreibungsrechte Europas. Gegen den Vorstoß von PiS, Abtreibungen auch von missgebildeten Föten zu verbieten, hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder große Demonstrationen gegeben. Kritiker werfen der Regierungspartei vor, im Rahmen der umstrittenen Justizreform zentrale Richterposten mit parteiloyalen Juristen besetzt zu haben.
Das nun ergangene Urteil gibt der Regierungsmehrheit im Warschauer Parlament grünes Licht für die Bewilligung eines Gesetzentwurfs zur Kriminalisierung der Abtreibung missgebildeter Föten. In Kraft treten würde das Gesetz erst nach einer Bestätigung durch Präsident Andrzej Duda. Der konservative Staatschef hat aber bereits seine Unterstützung für das Vorhaben erklärt.
Scharfe Kritik an dem Urteil kam von der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic. Die Entscheidung sei praktisch »gleichbedeutend mit einem Verbot« von Schwangerschaftsabbrüchen und stelle eine Verletzung der Menschenrechte dar, erklärte sie im Online-Dienst Twitter. Sie warnte, dass das Urteil dazu führen werde, dass Frauen, die es sich leisten könnten, heimlich oder im Ausland Abtreibungen vornehmen lassen würden. Für alle anderen bedeute das Urteil »noch größeres Leiden«.
Auch der frühere polnische Ministerpräsident und ehemalige EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk verurteilte die Gerichtsentscheidung. »Das Thema Abtreibung und die Entscheidung eines Pseudo-Gerichts inmitten der grassierenden Pandemie auf die Agenda zu bringen, ist mehr als zynisch«, twitterte der liberalkonservative Politiker.
In Polen gibt es jährlich weniger als 2000 legale Schwangerschaftsabbrüche, laut Mijatovic werden die meisten von ihnen mit Missbildungen des Fötus begründet. Frauenrechtsorganisationen schätzen jedoch, dass jedes Jahr bis zu 200.000 Polinnen illegale Abtreibungen vornehmen lassen oder für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland gehen.
Besonders im Kontext der Corona-Maßnahmen, wie geschlossener Grenzen, hatte sich die Situation zahlreicher Betroffener nochmals verschlechtert. Die Konsequenz: Eine Zunahme illegaler und oft lebensgefährlicher Schwangerschaftsabbrüche.
Im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsgerichts hatten Aktivist*innen und politische Organisationen zu Protest aufgerufen. Besonders im Netz, unter dem Hashtag #Alert4Poland, zeigen sich zahlreiche Personen entrüstet, stehen für das Selbstbestimmungsrecht der Frau ein und machen auf das Thema aufmerksam.
Auch die stellvertretenden Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ricarda Lang, zeigte sich solidarisch. Auf Twitter schrieb sie: »Stoppt das Abtreibungsverbot in Polen! Dort will die rechte Regierung das längst nicht mehr unabhängige Verfassungsgericht nutzen, um Rechte von Frauen weiter auszuhöhlen.« Agenturen/nd
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