Vom Top- zum Top-Top-Experten

Stephan Kaufmann seziert die Ökonomie des Stichwortgebens

Die Welt ist nicht nur ein ungeheuer weitläufiges Gebilde, wie schon Shakespeare anmerkte. Sie ist auch schwierig zu verstehen. Also brauchen die Menschen Fachleute: Instanzen des Recht-Habens, denen sie mangels eigenen Wissens getrost glauben können - nicht zuletzt in Wirtschaftsdingen. Das Problem ist aber: Ökonomen reden wild durcheinander. Wenn einer Steuersenkungen fordert, ist sicherlich ein anderer dagegen. Das schafft keine Autorität, weil diese Geschlossenheit voraussetzt.

In den Medien hat es sich daher eingebürgert, das Feld zu differenzieren: Auf der einen Seite gibt’s die »Top-Ökonomen«, auf der anderen irgendwelche Leute, die halt Wirtschaft studiert haben und vielleicht auch irgendwo lehren. Was nun aber einen Wald-und-Wiesen-Volkswirt zum Top-Ökonomen qualifiziert, ist weniger klar. Er sollte viel Geld verdienen und eine Führungsposition innehaben - am besten leitet er ein Institut. Auch Nobelpreise helfen, wobei die Erkenntnisse, für die ein solcher verliehen wird, meist mindestens 20 Jahre zurückliegen.

Entscheidender ist allerdings, wer von Zeitungen, Rundfunk und Internet mit seiner Meinung regelmäßig zitiert wird. Wer nicht mit den Medien spricht, schafft es nie an die Spitze. Der Zirkelschluss der Top-Werdung besteht also darin, dass die Medien sich Glaubwürdigkeit und Renommee verschaffen, indem sie nur »Top-Ökonomen« zu Wort kommen lassen - und dieselben zugleich genau dadurch »top« werden, dass die Medien sie zitieren: Diese Ökonomie des Stichwortgebens erinnert stark an die Börsenspekulation, wo Händler eine Aktie kaufen in der Erwartung, dass deren Preis steigen wird, wodurch die Aktie dann tatsächlich steigt und somit der Erwartung des Händlers recht gibt.

Das Prinzip lässt sich natürlich auf weitere Felder der Expertise-Branche übertragen. Neben Top-Ökonomen gibt es bereits Top-Philosophen (Habermas, Precht, Sloterdijk) und aktualitätsbedingt inzwischen auch Top-Virologen. Armin Nassehi hat zumindest das Zeug zum Top-Soziologen. Die nächste Pandemie wird uns vielleicht Top-Gastroenterologen bescheren - und die demografische Entwicklung den einen oder anderen Top-Gerontologen. Die Frage bleibt allerdings: Wo ist der erste Top-Archäologe, wo bleiben Top-Ger- und Romanisten? Die sollten schon her! Denn laut herrschender Ökonomielehre fördert die Aufstiegschance die Motivation - und die Unterteilung in Top und Flop generiert somit die Höchstleistung.

Damit stellt sich für das Ökonomenlager allerdings die Frage, wie hier weiter unterschieden werden könnte. Schließlich bezeichnet »Top« schon den Gipfel, darüber ist nur der Himmel. Damit sich Top-Ökonomen auf ihrem Status nicht ausruhen, ist weitere Differenzierung angesagt. Gemäß dem sportlichen Prinzip von Gold, Silber und Bronze könnte etwa zwischen Low-Top-, Top- und Over-The-Top-Ökonom (OTTÖ) unterschieden werden. Einfacher wäre es wahrscheinlich, man führte den Status des Tip-Top-Ökonom ein oder - noch besser - den Top-Top-Ökonom, weil so die graduelle Erweiterung in Top-Top-Top und darüber hinaus unendlich möglich wäre.

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