Linker Blick auf Europa

Seit 20 Jahren analysiert die Stiftung »Transform! Europe« europäische Politik und vernetzt Akteure. Nun stehen zwei Frauen an der Spitze

Dem Gebäude in der Wiener Gusshausstraße sieht man nicht an, dass hinter seiner schmucken Fassade europäische Politik gemacht wird. Nicht irgendeine europäische Politik, sondern linke. In dem neoklassizistischen Bau residiert »Transform! Europe«, die »Denkfabrik« linker Parteien und Organisationen in Europa. Mit dem Begriff des Thinktanks hadert Cornelia Hildebrandt aber etwas. Seit Ende September ist die Sozialwissenschaftlerin Co-Präsidentin von Transform!, gemeinsam mit der Spanierin Marga Ferré. »Wir sind auf dem besten Weg zu einer Denkfabrik. Aber entstanden ist Transform im Zuge der Weltsozialforen als Netzwerk politischer Akteure, die Rolle eines Bildungsträger kam in den letzten Jahren hinzu«, sagt Hildebrandt. »Ich glaube, es ist die Verbindung dieser Säulen, die den Wert von Transform ausmacht.«

Inzwischen vereint »Transform! Europe« 35 europäische Organisationen aus 22 Ländern, die in den Bereichen politische Bildung und kritische wissenschaftliche Analyse tätig sind. Das Netzwerk ist die anerkannte politische Stiftung der Partei der Europäischen Linken (EL). Was nicht zuletzt bedeutet, dass Transform aus europäischen Fonds finanziert wird. 23 Millionen Euro sind es jährlich - allerdings für alle zehn europäischen politischen Stiftungen zusammen. Ein Klacks gegenüber dem 75-Millionen-Euro-Etat der nationalen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).

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Einen direkten Vergleich mit der RLS will Cornelia Hildebrandt jedoch nicht ziehen. Auch, weil das deutsche System der Parteistiftungen in Europa einzigartig ist. Vor allem jedoch muss Transform aufgrund der heterogenen und über die EU-Grenzen hinausgehende Zusammensetzung, in der auch die Positionen zur Europäischen Union und zur Integration teils deutlich differieren, anders agieren. Dass das Netzwerk eine ebenso bunte Truppe ist wie Europas Linke, sieht die neue Co-Präsidentin jedoch eher als Chance denn als Problem. »Wir haben eine Kultur des freundschaftlichen Umgangs miteinander entwickelt, die verschiedene Ansichten nicht glatt bügelt. Da hat uns die Erfahrung mit den Weltsozialforen geholfen, wo klar war, dass diejenigen, die am Tisch miteinander in den Diskurs kommen, gleichwertige Partner sind und auch so miteinander umgehen müssen.« Das erlaube Transform, auch zu strittigen Fragen gemeinsame Positionen zu entwickeln.

Ein Beispiel? »Zu Venezuela sind die Meinungen in der Europäischen Linken wie auch bei Transform unterschiedlich. Aber wir haben herausgestellt, was unser gemeinsamer Nenner ist: die Unabhängigkeit des Landes und das Recht, seinen Weg ohne Einmischung selbst zu bestimmen.« Im Gegensatz zur EL öffne Transform Räume auch für kontroverse Positionen. »Es ist einfacher, bei uns solche Debatten zu initiieren, weil wir nicht an Beschlüsse nationaler Parteien gebunden sind. Und im Gegensatz zur ebenfalls aus sehr verschiedenen Parteien zusammengesetzten Linksfraktion im Europaparlament stehen wir nicht vor der Notwendigkeit, zu bestimmten Punkten beschlussfähige Dokumente produzieren zu müssen.«

Geht es nach den beiden neuen Co-Präsidentinnen, soll sich Transform zu einer Art europäischem Kompetenzzentrum entwickeln. Daher wird sich das Netzwerk auch künftig mit linken Strategien für eine europäische Integration, mit der Suche nach Alternativen zu einem neoliberalen Europa, mit Analysen der politischen Kräfteverhältnisse und gesellschaftlichen Umbrüche und natürlich mit der Auseinandersetzung mit dem zunehmenden Rechtsextremismus beschäftigen. Klimawandel, Migration, Demokratisierung der EU, Nord-Süd- und Süd-Süd-Kooperation sind weitere Stichworte auf der langen Liste der Aufgaben.

Übrigens: Dass bei »Transform! Europe« nun zwei Frauen an der Spitze stehen, sieht Hildebrandt als folgerichtigen Schritt. »Das war angelegt in der Entwicklung des Netzwerkes und ist auch vom langjährigen Koordinator Walter Baier forciert worden.« Nicht unproblematisch ist jedoch, dass inzwischen alle wichtigen Positionen im Gefüge der europäischen Linken zumindest teilweise mit Deutschen besetzt sind - auch der Linksfraktion im EU-Parlament und der Europäischen Linkspartei stehen mit Martin Schirdewan und Heinz Bierbaum zwei Vertreter der deutschen Linkspartei vor. »Daher ist es mir besonders wichtig, dass wir bei Transform als Team und sensibel agieren. Auch weil wir wissen, dass selbst 30 Jahre nach Ende des Realsozialismus noch einige linke Parteien in Europa schlechte Erinnerungen an Bevormundung haben.«

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