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»Die Gefahr für Frauen in Deutschland liegt in rechtsradikalen Ideologien«
Die UN Resolution 1325 strebt eine geschlechtergerechte Sicherheitspolitik an. In der Umsetzung versäumt die Bundesregierung, innenpolitische Bedrohungen zu erkennen.
Vor zwanzig Jahren, am 31. Oktober 2000, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325. Ein Meilenstein, da zum ersten Mal Geschlechtergerechtigkeit im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit anerkannt wurde. Neun weitere Resolutionen folgten, die gemeinsam die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit formen. Die Resolution ist völkerrechtlich bindend und verpflichtet die UN-Mitgliedsstaaten sie innerstaatlich umzusetzen. Die nationalen Regierungen schreiben Nationale Aktionspläne (NAPs), um die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit zu implementieren.
Frau Scheyer, derzeit gilt in Deutschland der zweite Nationale Aktionsplan zur Resolution 1325. Welche Schwerpunkte hat die Bundesregierung hier gesetzt?
promoviert am Institut für Gender, Peace and Security an der Monash Universität in Melbourne. Ihre Forschungsschwerpunkte sind feministische Sicherheit und Rechtsradikalität. Sie vertritt die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit im zivilgesellschaftlichen Bündnis 1325 und ist Teil der Gender und Frauenrechts Arbeitsgruppe der Civic Solidarity Plattform im OSZE Raum. Mit ihr sprach Julia Trippo.
Der derzeitige NAP für 2017 bis 2020 hat seinen Fokus auf Außen- und Sicherheitspolitik gelegt. Vor allem konzentriert er sich darauf, die Partizipation von Frauen in Friedensprozessen zu stärken und Schutz vor Gewalt zu erhöhen. Das wird hauptsächlich in Konfliktgebieten umgesetzt. Der dritte NAP wird noch geschrieben.
Gibt es Aspekte, die derzeit fehlen?
Ein großer Kritikpunkt von meiner Seite ist der fehlende Bezug zur Innenpolitik. Es ist sehr wichtig, dass Außenpolitik geschlechtergerecht gestaltet wird und Friedensprozesse unterstützt werden. Aber der komplementäre Blick nach innen fehlt. Der NAP in Deutschland und auch in anderen westlichen Ländern zielt oft darauf ab, Maßnahmen für Gleichberechtigung und Schutz in Konfliktgebieten umzusetzen. Hier wird aber die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit nicht vollständig verstanden. Denn es geht darum, sich in dem jeweiligen nationalen Kontext und in der Außenpolitik für Gleichberechtigung einzusetzen. Die jetzige außenpolitische Ausrichtung suggeriert, dass sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt eigentlich nur in Ländern des Globalen Südens stattfindet und im eigenen Land nicht thematisiert werden muss. In Deutschland zielen Maßnahmen wenn dann auf migrantische Frauen und Geflüchtete ab, allerdings gibt es keine anderen Handlungen innerhalb Deutschlands.
Welche innenpolitischen Themen brauchen im Kontext der Resolution 1325 mehr Aufmerksamkeit?
Gleichberechtigung und die Abschaffung von Diskriminierung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen ist in Friedenszeiten am besten herzustellen. Wir haben hierzulande vergleichsweise viele Frauenrechte und nicht so viel Gewalt wie beispielsweise in einem Konfliktgebiet. Darauf ruht sich die deutsche Bundesregierung aus. Die Gefahr für Frauen in Deutschland liegt in rechtsradikalen Ideologien, die sich gerade in ganz Europa ausbreiten. Das ist sehr gefährlich, wie wir zum Beispiel in Polen oder Ungarn sehen können, wo Frauenrechte und Selbstbestimmung aktuell weiter eingeschränkt werden.
Inwiefern gehört die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Anti-Feminismus zusammen?
Rechtsradikale Ideologien sind rassistisch und menschenfeindlich. Aber sie beinhalten auch ein sexistisches, frauenfeindliches Bild. Für ihren eigenen Machterhalt zielen sie darauf ab, Frauen zu unterdrücken, in klassische Familienrollen zurückzudrängen und reproduktive Rechte zu beschneiden. Und das ist eine massive Einschränkung der bereits erkämpften Frauenrechte.
Ein Beispiel dafür wie antifeministisch die völkische Ideologie der AfD ist, lieferte Marc Jongen, der für die rechte Partei im deutschen Bundestag sitzt. Gegenüber der FAZ sagte er 2016, dass Geschlechterrollen stärker festgeschrieben und die Dekonstruktion von Familie, Volk und Kirche verhindert werden soll. Außerdem forderte er anstatt Gender-Mainstreaming eine »Erziehung zur Männlichkeit«.
Was für Maßnahmen schlagen Sie vor?
Ein wichtiger Ansatz ist die gesellschaftliche Teilhabe und politische Partizipation. Innen- sowie außenpolitisch muss unsere Gesellschaft besser vertreten werden. Aktuell haben Frauen im Deutschen Bundestag nur 31,2 Prozent der Sitze; die AfD hat übrigens den geringsten Frauenanteil. Es darf nicht nur eine Gruppe geben, die für alle spricht. Alle sollten sich angesprochen fühlen, mitzumachen, Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte, Jugendliche und Mitglieder der LGBTQI-Community.
Außerdem ist es ein grundlegendes, gesamtgesellschaftliches Problem, dass die Rollen von Frauen, Männern und anderen Geschlechteridentitäten als sehr gefestigt gesehen werden und diese sich wieder verhärten. Ein Ansatzpunkt wäre, in Lehrplänen zu verankern, dass über angeblich »natürliche« Geschlechterrollen gelehrt und versucht wird, sie aufzubrechen. Das Gleiche gilt auch für die Polizei, Bundeswehr und andere Positionen im öffentlichen Dienst. Außerdem muss Anti-Rassismus-Arbeit gefördert werden. Vorurteile müssen abgeschafft und mehr Begegnungsorte geschaffen werden. Rassismus muss als gesamtgesellschaftliches Problem anerkannt werden – nicht als Einzelfall.
Nochmal zurück zum Nationalen Aktionsplan. Was sehen Sie für weitere Probleme bei der derzeitigen Anwendung des NAPs?
Ein großes Problem in Deutschland ist, dass die Partizipation für die Zivilgesellschaft sehr schwer ist. In anderen Länder kann die Zivilgesellschaft am NAP mitschreiben oder zumindest mitgestalten. Zwischen der Bundesregierung und dem zivilgesellschaftlichen Bündnis 1325 gibt es vergleichsweise nur wenige Treffen. Meist ist das ein kurzer Austausch und keine gemeinsame Erarbeitung von Inhalten. Außerdem fehlt dem Aktionsplan die Finanzierung. Die Bundesregierung stellt kein konkretes Budget für die Finanzierung der Maßnahmen her. Ein weiteres Problem ist, dass der NAP nicht auf Abrüstung abzielt. Hier wird die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit so verstanden, dass Krieg für Frauen sicher gemacht wird. Doch der ursprüngliche Gedanke war, Krieg zu beenden! Dazu gehört Abrüstung. Und das wird für Deutschland zu einem schwierigen Thema, wenn es darum geht, die eigenen Waffenexporte zu beschränken oder gar einzustellen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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