Tatmotiv Schwulenhass

Verbände kritisieren »Beißhemmung« nach Dresdner Mord

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Vier Wochen nach einem Mord in der Dresdner Innenstadt gehen sächsische Landespolitiker zunehmend von Homophobie als Tatmotiv aus. Am 4. Oktober hatte ein 20-Jähriger, der 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen war und ab 2017 vom Landeskriminalamt als islamistischer Gefährder geführt wurde, zwei Männer mit einem Messer angegriffen und einen von ihnen tödlich, den anderen schwer verletzt. Dies sei »mutmaßlich aus religiös motiviertem Schwulenhass« geschehen, sagte Valentin Lippmann, Innenexperte der Grünen, in einer Aktuellen Debatte im Landtag. SPD-Fachkollege Albrecht Pallas sah einen »schwulenfeindlichen Anschlag«, der »die ganze Gesellschaft trifft«.

Verbände von Homosexuellen hatten beklagt, das augenscheinliche Tatmotiv werde von den Ermittlern und der Politik nicht offen benannt. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) sprach von »Unbeholfenheit und Insensibilität«, womit »Gewalt bagatellisiert« werde. Das Berliner Projekt Maneo, das Opfer von homophober Gewalt unterstützt, betonte, diese lasse sich »nur dann bekämpfen, wenn man sie ausdrücklich benennt«. Bastian Finke, Leiter von Maneo, äußerte den Eindruck, Opfer und Motiv sollten »unsichtbar« gemacht werden.

Sächsische Ermittler hatten Auskünfte zu Schwulenhass als möglichem Motiv verweigert. Man äußere sich nicht zur sexuellen Orientierung von Tatopfern, erklärte Jürgen Schmieder, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, unlängst vor der Presse. Der LSVD entgegnete, für Täter bei homophoben Gewalttaten sei die sexuelle Orientierung ihrer Opfer »gerade nicht unbedeutend, sondern zentral«. Katja Meier, grüne sächsische Justizministerin, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: »Alle Hintergründe und Motivlagen in den Blick zu nehmen, ist Aufgabe der Ermittlungen von Polizei und Generalbundesanwalt«. Dieser hat die Ermittlungen wegen des »radikalislamistischen Hintergrunds der Tat« inzwischen an sich gezogen.

Öffentlich thematisiert wurde das Motiv erst mit einer Mahnwache am Sonntag, die der Dresdner Christopher-Street-Day-Verein organisiert hatte. Dort wurde auch eine auffallende Zurückhaltung der Politik nach dem Attentat beklagt; von »Beißhemmung« war die Rede. Pallas räumte im Landtag ein, ein Gedenken erst vier Wochen nach der Tat sei »zu spät«. Er zitierte auch die Äußerung von Juso-Chef Kevin Kühnert zum »unangenehm auffälligen Schweigen« linker Politiker zu islamistischer Gewaltt. Es sei »notwendig, das zu beenden«, sagte Pallas. Lippmann erklärte, religiöser Fanatismus sei eine »erhebliche Bedrohung für unsere freie und offene Gesellschaft«. Man müsse »über radikalen Islamismus reden«. Kerstin Köditz, Innenexpertin der Linken, verwies auf Hass und Fanatismus als Auslöser für Anschläge »in Wien, Paris, Dresden, Hanau und Halle«. Erstere wurden von Islamisten verübt, die zwei letzteren von Rechtsextremen.

Die Debatte im Landtag hatte die AfD beantragt, deren Abgeordneter Sebastian Wippel beklagte, man habe es »nicht nur mit beliebigem Schwulenhass eines Islamisten« zu tun. Lippmann sprach indes von einer »schäbigen Scheindebatte«. Das Ideal der unfreien Gesellschaft, das radikale Islamisten propagierten, unterscheide sich nicht von dem der AfD. Köditz beklagte, die AfD wolle »die Spirale von Hass und Gewalt weiterdrehen«.

Sachsens Politik prüft mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden. Der Täter hatte nur Tage vor dem Anschlag eine lange Haftstrafe beendet und wurde von Polizei und Verfassungsschutz überwacht, was die Tat aber nicht verhinderte. Diese befeuert Debatten über die Abschiebung von Straftätern auch in Länder wie Syrien. Sachsens CDU-Innenminister Roland Wöller kündigte gestern erneut entsprechende Vorstöße an. Lippmann erwiderte, eine Aufweichung des geltenden Abschiebestopps sei mit den Grünen als Koalitionspartner »nicht zu machen«.

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