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Luis Arce hat in Bolivien viel vor
Linker Präsident unterbreitet am Tag der Amtseinführung 256 Vorschläge zur Verbesserung der Lage
Der Neuanfang in Bolivien ist auf dem Weg: Luis Arce ist neuer Präsident des Plurinationalen Staats Bolivien. Am Sonntagvormittag leistete der Kandidat der Bewegung zum Sozialismus (MAS) mit der rechten Hand auf der Brust seinen Eid im Parlament am bolivianischen Regierungssitz La Paz. Zwei Tage vor ihrer Ernennung im Parlament hatten Luis Arce und sein Vizepräsident David Choquehuanca an einer Zeremonie in der Tempelstätte Tiahuanaco teilgenommen, um die Unterstützung ihrer Ahnen zu erhalten. Den Sonntag begannen die Anhänger*innen Arces in La Paz mit einer K’oa, einem rituellen Opfer für Mutter Erde. Mehrere Tausend Mitstreiter*innen von sozialen Bewegungen, indigenen Organisationen und Gewerkschaften waren nach La Paz gekommen, um ihren neuen Präsidenten zu bejubeln. Und um die Amtsübergabe zu beschützen. Denn in den Tagen zuvor hatte Boliviens Rechte die Stimmung aufgeheizt.
»Wir sind auf der Straße, weil wir wissen, dass wir viel erreichen können. Dazu gehört auch, die Amtsübergabe zu verhindern«, hatte noch am Freitag der ultrareligiöse, rechtsradikale Präsidentschaftskandidat Luis Camacho aus Santa Cruz erklärt und somit zum Widerstand aufgerufen. Wenn auch mit wenig Erfolg. In den großen Städten Boliviens versuchten sich rechte Bürgerkomitees zwar an Streiks gegen die Ernennung Arces, letztendlich blockierten sie aber nur wenige Kreuzungen in den Stadtvierteln der Wohlhabenden - und damit vor allem sich selbst und ihre Nachbar*innen. Am späten Donnerstagabend berichtete die MAS zudem von einem Anschlag mit Dynamit auf ihr Wahlkampfbüro in La Paz. Es gab zum Glück nur Sachschaden.
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Wohl auch deshalb betonte Luis Arce in seiner ersten Ansprache als 67. Präsident Boliviens, für alle zu regieren, für Einheit und für Frieden: »Wir müssen der Angst ein Ende setzen«, appellierte Arce. »Bolivien war Schauplatz eines internen Krieges. Die beiden Aufgaben der De-facto-Regierung, Frieden zu schaffen und Wahlen einzuberufen, wurden nicht erfüllt. Tod, Angst und Diskriminierung wurden gesät.«
Arce war als Kandidat der MAS am 18. Oktober mit 55 Prozent der gültigen Stimmen und hohem Vorsprung von über 20 Prozentpunkten vor den Kandidat*innen der anderen Parteien gewählt worden. Mit seinem Antritt als Präsident endet nach fast einem Jahr die selbst ernannte Übergangsregierung von Präsidentin Jeanine Áñez, die im November 2019 nach Vorwürfen des Wahlbetrugs und dem Putsch gegen Evo Morales die Macht ergriffen hatte. Bolivien wird wieder von einem demokratisch gewählten Präsidenten regiert. Angesichts von erneuten Vorwürfen des Wahlbetrugs seitens der Rechten, tiefen gesellschaftlichen Gräben zwischen wirtschaftlich Reichen und Armen und einem tief sitzenden Rassismus, scheinen die versöhnlichen Worte Arces fundamental.
Der 57 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler Luis Arce, der während der Regierung von Evo Morales von 2006 bis 2019 mit einer kurzen Pause Wirtschaftsminister war und als Garant eines sozial gerechten wirtschaftlichen Aufschwungs in dieser Zeit gilt, steht aber in den fünf Jahren seiner Amtszeit noch vor ganz anderen Schwierigkeiten als den gesellschaftlichen Konflikten und einer aggressiven Opposition: »Wir werden die Pandemie besiegen und über die wirtschaftliche Krise triumphieren, wie wir es schon in den Jahren zuvor getan haben«, versprach er am Sonntag im Parlament. Tatsächlich hat die Pandemie die auf den Export von Rohstoffen basierte Wirtschaft Boliviens um Jahre zurückgeworfen und gezeigt, wie schwach die Gesundheitsversorgung im Land ist.
Nicht weniger als 256 Vorschläge zur Verbesserung der Lage in Bolivien hat Luis Arce zum Beginn seiner Präsidentschaft vorgelegt. Darunter sind Bonuszahlungen zur dringenden Linderung von Hunger und Armut sowie eine Steuer auf große Vermögen, auch die Industrialisierung der riesigen Lithium-Vorkommen im Salzsee Uyuni.
Gleichzeitig bietet der haushohe Wahlsieg Arces, der als enger Vertrauter von Evo Morales gilt, die Chance einer Neuausrichtung der MAS und ihrer Regierungspolitik. Das Ergebnis der Wahl spiegelt nicht nur wider, wie wütend die Mehrheit der Bolivianer*innen über die Vetternwirtschaft, Korruptionsskandale und rassistischen Ausfälle der De-facto-Regierung von Áñez waren. Er zeigt auch, dass die MAS ohne ihre prägende Identifikationsfigur Evo Morales als Kandidat Wahlen gewinnen kann. Gleichzeitig gewinnen in Bolivien, wo die Hälfte der Bevölkerung jünger als 25 Jahre alt sind, Themen wie eine gute Ausbildung und Arbeit, Umweltschutz und ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zunehmend an Aufmerksamkeit.
Evo Morales selbst hat sich nach der Amtseinführung Arces am Sonntag auf den Rückweg von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires nach Bolivien gemacht. Nach dem Grenzübertritt will er mit einem Konvoi seiner Anhänger*innen bis in die Provinz Chapare im Zentrum Boliviens fahren, wo er seine politische Karriere als Aktivist in der Gewerkschaftsbewegung der Kokabauern begonnen hatte. An diesem Mittwoch, genau ein Jahr nach seinem erzwungenen Abschied am 11. November 2019, wollen er und seine Mitstreiter*innen dort seine Rückkehr feiern.
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