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Steigt der Staat bei Thyssenkrupp ein?
Zwei Modelle werden diskutiert - Coronahilfen oder eine Beteiligung des Bundeslandes
Thyssenkrupp ist finanziell angeschlagen. Das ist seit geraumer Zeit bekannt. Im Frühjahr verkaufte der Essener Traditionskonzern seine profitable Aufzugssparte für Milliarden. Ein Geschäft, dass dem Unternehmen eigentlich Geld für den Umbau der übrigen Sparten liefern sollte. Doch die Coronakrise hat die Pläne der Konzernleitung durcheinandergebracht. Die im Konzern verbliebenen Sparten häufen Verluste in Milliardenhöhe an. Besonders unter Druck ist die Stahlsparte, das frühere Kerngeschäft von Thyssenkrupp. Schon vor Corona waren die Stahlwerke des Konzerns nicht ausgelastet. In der Pandemie ging die Nachfrage noch einmal zurück. Nun stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll mit dem Stahl von Thyssenkrupp? Der britische Konzern Liberty Steel hat ein Angebot zur Übernahme unterbreitet. Auch Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, den die Bundesregierung wegen der Coronakrise aufgelegt hat, stehen im Raum. Die SPD im nordrhein-westfälischen Landtag fordert eine Beteiligung des Landes.
Mit 16,5 Millionen Tonnen Rohstahl wird in Nordrhein-Westfalen 38 Prozent des deutschen Stahls produziert. Fast 50 000 Menschen arbeiten in NRW in der Branche, davon 22 000 bei Thyssenkrupp. NRW sei ein »starkes Stahlland«, heißt es in einem Antrag, den die SPD am Freitag in den Düsseldorfer Landtag eingebracht hat. Den Verkauf an Liberty Steel sieht die SPD kritisch, der Konzern habe eine »fragwürdige Finanzierungs- und Expansionsstrategie«. Allgemein sei bei einem Verkauf an ausländische, private Investoren mit massiven Einschnitten zu rechnen, die mit einem Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau einhergingen. Deswegen schlägt die SPD eine Beteiligung des Landes in Höhe von 25 Prozent vor. »Nur so kann der Ausverkauf des Unternehmens an fragwürdige Investoren vermieden und der bestmögliche Schutz der NRW-Standorte gewährleistet werden«, erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Frank Sundermann. Mit der Staatsbeteiligung sei es möglich, dass Management und Beschäftigte eine »tragfähige Strategie für eine moderne, klimafreundliche Stahlproduktion im 21. Jahrhundert« entwickeln könnten.
Die Idee einer Beteiligung des Landes bei Thyssenkrupp ist nicht neu. 2017 hatte sich die Linke dafür im Landtagswahlkampf stark gemacht. Damals wurde eine Fusion der Stahlsparte mit dem Konzern Tata verhandelt, die später an kartellrechtlichen Fragen scheiterte. Deswegen begrüßt der Linke-Landessprecher Christian Leye gegenüber dem »nd« auch grundsätzlich den Vorstoß der SPD. Die Nähe des sozialdemokratischen Vorschlags zu den Plänen der Linken sei »auffällig, sowohl was den Einstieg des Staates angeht als auch die Idee eines Fonds, der einen sozial-ökologischen Umbau ermöglicht«. Grundsätzlich sei er darüber froh, denn die Rettung der Arbeitsplätze stehe im Vordergrund. Allerdings übt Leye auch Kritik an dem Vorschlag. Es sei »zu kurz gegriffen«, dass die SPD nur eine 25-prozentige Beteiligung fordere. Nach Schätzungen der Linken müsste der Staat zwischen 10 und 20 Milliarden investieren, für einen Konzern der an der Börse nur drei Milliarden Euro wert sei. »Dann nur 25 Prozent in Staatsbesitz zu nehmen läuft darauf hinaus, den Anteilseignern auf Staatskosten die Aktienpakete zu vergolden«, so Leye. Stattdessen müsse der Konzern »komplett in eine Industriestiftung« überführt werden. Dann sei eine demokratische Kontrolle möglich und Profite würden nicht mehr abfließen.
In der schwarz-gelben Landesregierung ist man gegen eine Beteiligung, wie sie SPD und Linke vorschlagen. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) erklärte am Freitag im Landtag, dass der vom Bund für Hilfen in der Coronakrise geschaffene Wirtschaftstabilitätsfonds für Thyssenkrupp in Frage komme. Das Unternehmen und die Bundesregierung seien darüber in Gesprächen. Das Land sei beteiligt. Ähnlich äußerte sich auch die Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz in einem Interview mit der FAZ. Einer weitergehenden Staatsbeteiligung gegenüber zeigte sie sich skeptisch. Das sei »naturgemäß nicht die Vorzugslösung« sondern könne »wenn überhaupt, nur eine temporäre Hilfsmaßnahme« sein. Merz will den Konzern weiter umbauen, Unternehmensteile verkaufen oder verkleinern. Ein »Verbesserungsprogramm«, das auch mit dem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen einhergehen soll.
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