Erst das Netz, dann die Preise

Berliner Linke diskutiert über Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass der Nahverkehr zu einem wichtigen Thema beim anstehenden Wahlkampf um die Sitze im Abgeordnetenhaus wird, kann als sicher gelten. Die - nach wie vor wahrscheinliche - Spitzenkandidatin der SPD für den Posten der regierenden Bürgermeisterin, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, hat unlängst ihren Vorschlag für die Verlängerung von fünf U-Bahn-Strecken vorgestellt. CDU-Landesvorsitzender und -Spitzenkandidat Kai Wegner will gleich alles, was auf der Schiene rollt, ausbauen. Mit welchen verkehrspolitischen Vorschlägen die Berliner Linke in den Wahlkampf gehen könnte, war am Freitag Thema im Rahmen eines Werkstattgespräches der Partei. »U-Bahn hört sich groß an. Ein funktionierendes Netz klingt zwar nicht so sexy, es ist aber wichtig«, sagte dort Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus.

So war es dann auch gemeinsamer Tenor der Gesprächsteilnehmer, dass es statt langwieriger und teurer U-Bahn-Projekte bei gleichzeitigem Fahrzeugmangel auf den bestehenden Linien zuallererst einer Investition in das Bestandsnetz bedarf. Ein Ausbau bei der U-Bahn ist zwar mittlerweile im Wahlkampf wieder populär. Für die Linkspartei kommt das aber - wenn überhaupt - nur bei Lückenschließungen wie der Verlängerung der U3 zur S-Bahn-Haltestelle Mexikoplatz in Frage, hieß es einhellig.

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Beim Ausbau des bestehenden Netzes will die Linke im Wahlkampf vor allem auf die Straßenbahn setzen. »Bei der Straßenbahn kann schneller und effizienter geplant und gebaut werden«, so Ronneburg. Auch die Vorhaben für die S-Bahn-Linie 21, die zunächst vom nördlichen Ring über den Hauptbahnhof bis zum Potsdamer Platz führen soll, perspektivisch aber über die Yorckstraße bis zum südlichen Ring verlängert werden könnte, stießen am Freitag auf Zustimmung.

Die Werkstattgespräche finden im Rahmen der Ausarbeitung des Wahlprogramms der Linken statt, an der auch die Stadtgesellschaft beteiligt werden soll. So gab es von den Linke-Politikern am Freitag Zuspruch für die Forderung von Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Für Wieseke müsste garantiert werden, dass es für jeden Berliner vor allem früh und nachmittags innerhalb eines Radius von 400 Metern Laufweg ein Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs gibt, das im Zehn-Minuten-Takt verkehrt. Das müsse auch für bisher abgehängte Randgebiete wie das Kosmosviertel im äußersten Süden von Treptow-Köpenick oder das Falkenhagener Feld im Westen von Spandau gelten. »Die jetzige Verkehrspolitik ist von einer sozialen Kälte geprägt«, kritisierte Wieseke.

Dass Takterhöhung und Netzausbau auch mit Mehrkosten einhergehen, ließ die Gesprächsteilnehmer zugleich skeptisch werden beim Thema reduzierte Ticketpreise. Bedenken, die auch im Erfahrungsaustausch mit Theresa Tisch, der Referentin für Verkehr beim Verband der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG), eher bestärkt wurden. So gibt es in Wien ein Jahresticket für den Nahverkehr für 365 Euro, wie es unter anderem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) für Berlin vorschlägt.

Tisch zufolge ist aber die Angebotserweiterung des Nahverkehrs und nicht die Preissenkung in der Vergangenheit dafür ausschlaggebend gewesen, dass mehr Wiener auf das Auto verzichteten. Die Verkehrsexpertin gab zu bedenken: »Auch in Wien gibt es Diskussionen darüber, wie klug ein reduzierter Preis ist, wenn es jetzt Investitionen für die Trassen ins Wiener Umland braucht.«

Im Gegensatz zu Wien werden in Berlin ab kommendem Jahr die Fahrpreise erhöht, und das, obwohl diese laut Koalitionsvertrag eigentlich eingefroren werden sollten. »Wir müssen aufpassen, dass das, was wir versprechen, und das, was tatsächlich passiert, nicht auseinanderdriftet«, warnte deshalb Alexander King vom Linke-Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg.

Dieser Kontrast wird am deutlichsten bei der innerhalb der Linken nicht unpopulären Forderung nach den Öffentlichen zum Nulltarif. Die Meinungsbildung zur sogenannten Öffi-Flat sei in der Partei noch nicht abgeschlossen, betonte Verkehrspolitiker Ronneburg. Das ist bisher auch schwer möglich. Denn eine vom rot-rot-grünen Senat in Auftrag gegebene Studie, die Finanzierungsmodelle errechnet hat, liegt zwar vor, wurde aber bisher nicht veröffentlicht. Ronneburg hofft darauf, dass das noch zeitnah passiert. Zumindest rechtzeitig genug, damit die Studie auf der Basiskonferenz der Partei am 30. Januar aufgegriffen werden kann, bei der auch die Ergebnisse des Werkstattgesprächs diskutiert werden sollen.

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