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Regenbogen-Rettungsschirm
Online-Petition fordert queeren Rettungsschirm / Linke bringt Antrag zum Schutz queerer Menschen in der Coronakrise ein
Eigentlich wollte sich Sina Pulz in diesem Jahr ein neues Leben aufbauen: andere trans Personen kennenlernen, sich bei mehr Freund*innen und Familienangehörigen outen und sich beruflich selbstständig machen. Dann kam Corona, ihre Selbsthilfegruppe traf sich nicht mehr, sie geriet in eine finanzielle Notlage – und der Mut verließ sie langsam. Wie Pulz geht es derzeit vielen Menschen aus der LGBTIQ+-Community. Sie sind von den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus besonders stark betroffen.
»Die bisherige Krisenintervention war sehr cis-hetero geprägt«, sagt Daniel Bache im Gespräch mit dem »nd«. Der Aktivist und Co-Sprecher der Linke-Bundesarbeitsgemeinschaft Queer hat deshalb zusammen mit anderen Aktivist*innen eine Online-Petition für einen queeren Rettungsschirm gestartet. Für viele queere Projekte, Vereine und Unternehmen sei der erneute Shutdown existenzgefährdend, heißt es darin.
Noch bis mindestens Ende November gelten die Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus. Was danach kommt, ist unklar. Bereits nach dem ersten Shutdown im Frühjahr hatte sich gezeigt, dass einige Restaurants, Bars und Kulturstätten erst gar nicht wieder öffneten – sie hatten die Zeit nicht überstanden. Finanzielle Rettungspakete kamen zu spät oder erreichten sie nie.
Dass nun aber noch mehr queere Orte verschwinden, will die Petition verhindern. »Queere Clubs, Bars und Vereinsräume sind nicht nur Partyorte, sondern auch Schutzräume«, erklärt Bache. Vor allem für Menschen, die ihr Coming-Out noch vor sich hätten, sei ein Wegfall dieser Orte eine Katastrophe. Die räumliche Isolation treffe besonders ältere Queers mit und ohne Behinderung, sowie queere Kinder und Jugendliche, die queerfeindlichen Eltern oder Erziehungsberechtigten auf engstem Raum schutzlos ausgeliefert seien.
»Wir wollen gar keine Extrawürste für Queers«, so Bache. Viele der Forderungen – etwa eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – würden auch anderen Gesellschaftsgruppen zugutekommen. Was bisher jedoch fehle, seien passgenaue Hilfen, die auf die konkrete Lebenswirklichkeit queerer Menschen zugeschnitten sind. Viele queere Projekte seien in der Vergangenheit durch alle Hilfestrukturen der Bundesregierung gefallen, so Bache. So sei das Gefühl entstanden, nicht gehört zu werden. Mit der Petition fordere man die Bundesregierung deshalb nun auf, das Gespräch mit Träger*innen und Aktiven aus den Communitys zu suchen, verbindliche Maßnahmen zu erarbeiten und diese auch zügig umzusetzen.
Auch die Linksfraktion im Bundestag hat einen Antrag zum Schutz queerer Menschen in der Coronakrise eingereicht. »Queere Jugendliche, aber auch ältere allein lebende Menschen berichten von Einsamkeit und Abbruch queerer sozialer Kontakte«, heißt es darin. Regenbogenfamilien würden erneut die Erfahrung machen, dass Familien heteronormativ und ›unter einem Dach‹ gedacht werden. »Es wird Zeit, dass sich die Bundesregierung mit queeren Interessenvertretungen zusammensetzt, um ressortübergreifend über notwendige Maßnahmen zu beraten«, erklärt Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Dass trans Personen wie Sina Pulz von der Pandemie und den Einschränkungen besonders betroffen sind, bestätigt auch Gabriel_Nox Koenig, Pressesprecher*in beim Bundesverband Trans* (BVT*). Viele planbare Operationen – darunter auch geschlechtsangleichende OPs – sind in den vergangenen Monaten aufgrund der Pandemie abgesagt worden. Die Frage sei jedoch, was als »lebensnotwendig« diskutiert werde und was nicht: »Für viele trans Personen sind diese Operationen lebensnotwendig«, sagt Koenig dem »nd«. Hinzu komme ein jahrelanger Vorlauf samt Zwangstherapie und allerlei bürokratischer Hürden. Vom Entschluss für eine OP über Gutachten und Wartelisten der Klinken bis hin zum tatsächlichen Operationstermin würden so mehrere Jahre vergehen, erklärt Koenig. Auch über die Tatsache, dass derzeit viele Anlaufstellen geschlossen seien, sei man beim BVT* besorgt.
»Die Community steht unter Druck, viele Menschen sind einsam«, erklärt auch Daniel Sander vom Schwulen Museum in Berlin. Das Haus, das es bereits seit 1985 gibt, sei nicht nur ein Ausstellungsraum, sondern auch ein queerer Begegnungs- und Rückzugsort, so der Pressesprecher. Natürlich habe man Verständnis für die Maßnahmen, sagt Sander. Es sei dennoch hart, diesen queeren Treffpunkt nun geschlossen halten zu müssen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, die keine öffentliche Förderung erhalten, sei das Museum noch nicht in Existenznot geraten, sagt Sander. »Unsere Gehälter und Mieten sind erst mal gesichert, das Geld aus den Ticketverkäufen fehlt natürlich trotzdem.« Vielen Projekten, die keine öffentliche Förderung erhalten, gehe es aber noch viel schlechter.
Sina Pulz hofft deshalb, dass die besonders vulnerable Situation queerer Personen in den nächsten Wochen mehr Aufmerksamkeit bekommt. »Für vieles haben wir jahrzehntelang und oft gegen massiven Widerstand gekämpft. Die Coronakrise setzt uns unter Druck, aber aufgeben werden wir nicht.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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