Keine halben Klassen

Senat will weiter alle Schulen offen halten

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

»Diese kurze Vorlaufzeit zeigt, dass Bildungssenatorin Scheeres komplett den Bezug zur Realität an den Schulen verloren hat«, ärgert sich Tom Erdmann, Berlins Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Wie berichtet, hatte die Bildungsverwaltung vor wenigen Tagen angeordnet, dass für die Schüler aller weiterführenden und beruflichen Schulen Berlins ab Mittwoch nicht nur eine generelle Maskenpflicht auch im Unterricht gilt - sondern auch, dass die Schulleitungen einen gestaffelten Unterrichtsbeginn zu gewährleisten haben.

Da die Mitteilung am Freitag erst nach Dienstschluss kam, seien den Schulen gerade einmal zwei Arbeitstage geblieben, um auf die Schnelle neue Stundenpläne zu stricken, kritisiert die GEW. Nachgerade »absurd und eine Frechheit« sei, dass Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bei ihrer Entscheidung zwar, wie sie selbst mitteilte, »Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Medizin zurate gezogen« habe, nicht aber Schulpraktiker, so Erdmann weiter.

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Der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, warnt zugleich davor, dass der eigentliche Zweck der neuen Regelung - nämlich die Ankommenszeiten in den Schulen zu entzerren - im Endeffekt dadurch torpediert werden könnte, »dass die Schüler dann im Nachmittagsverkehr in vollen Bussen und Bahnen sitzen«. Gegenüber »nd« sagt Heise: »Ich denke, das wird man sich in der kommenden Woche anhand der Infektionszahlen noch einmal anschauen müssen, ob die Maßnahme etwas gebracht hat.« Denn bedenklich sei in diesem Zusammenhang, dass Bildungssenatorin Scheeres in der Sitzung des Hygienebeirats am Montag noch einmal klargestellt habe, dass der versetzte Unterricht mit der Stundentafel einhergehen müsse. Heißt im Klartext: Der Unterricht verschiebt sich für die betroffenen Nachzüglerklassen einfach um die entsprechenden Stunden nach hinten.

Tatsächlich ist eine Verkürzung der Unterrichtszeit nicht vorgesehen, bestätigt Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann. »Wir reden hier ja in der Regel von Staffelungen um halbe Stunden. Das finde ich nicht problematisch.« Der Bildungsverwaltung gehe es nach wie vor darum, Lerngruppenhalbierungen zu vermeiden und »alle Schulen so lange wie möglich offen zu halten«, so Klesmann zu »nd«. Daher die Maskenpflicht im Unterricht, daher die gestaffelten Ankommenszeiten.

Notwendig werde das nicht zuletzt angesichts aktueller Zahlen, die zeigen, dass das Infektionsgeschehen auch an Berlins Schulen immer stärker um sich greift. Stand Ende vergangener Woche befanden sich der Bildungsverwaltung zufolge mehr als 16 700 Schüler oder knapp vier Prozent der Berliner Gesamtschülerschaft in Quarantäne. Mit dem Coronavirus infiziert waren demnach 1277 Schülerinnen und Schüler sowie 353 Lehrkräfte.

Schulleiter Michael Rudolph hat, wie viele seiner Kollegen, mit Blick auf die Daten Bedenken, dass die Maßnahmen das Infektionsgeschehen an den Schulen wirklich bremsen. »Ich bin skeptisch, dass das lange laufen wird. Wir sind in einer kritischen Situation«, sagt der Leiter der Friedrich-Bergius-Schule im Tempelhof-Schöneberger Ortsteil Friedenau.

Was etwa die generelle Maskenpflicht betrifft, so gilt die ohnehin schon an Rudolphs Sekundarschule, da diese sich in Stufe Orange befindet. Auch der gestaffelte Unterrichtsbeginn sei zumindest in seinem Haus »nicht so dramatisch, da nicht jede Klasse in der ersten Stunde anfängt«. Rudolph ist bei alldem wichtig, dass seine Schule einen »Plan B« für den Übergang zum sogenannten Hybridunterricht und damit zur Halbierung der Klassen entwickelt hat. »Ich denke auch, dass wir darauf hinaus laufen.«

Nun steht ein großer Teil der weiterführenden und beruflichen Schulen im Gegensatz zur Bergius-Schule auch nach der letzten Einstufungsrunde durch die jeweiligen Gesundheitsämter und Schulaufsichten auf Alles-halb-so-wild-Gelb, teilweise sogar auf Normalstufe Grün. Dass auch für diese Schulen nun die eigentlich nur für orangene und rote Schulen vorgesehene Maskenpflicht gilt, zeigt für Gewerkschafter Tom Erdmann vor allem eines: »Scheeres’ Ampel ist kaputt.«

Das sieht man in der Senatsbildungsverwaltung natürlich anders. So verteidigte die Senatorin erst Ende vergangener Woche im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses ein weiteres Mal den »ausdifferenzierten Stufenplan«, der letztlich auch von den Schulleitungen »gelobt wird, weil er auch farblich gestaltet ist«. Dass der jetzt mit Blick auf die neuen Regeln noch einmal »angepasst« wird, sei ja klar, so Sprecher Martin Klesmann.

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