Eine Aufforderung zum Handeln

HEISSE ZEITEN - DIE KLIMAKOLUMNE: Der Versuch, die Situation von vor der Coronakrise wiederherzustellen, ist zum Scheitern verurteilt, meint Olaf Bandt

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie nahe läge es angesichts des Zustands unseres Planeten, einmal mehr festzuhalten, dass Klimakrise und Artensterben unaufhaltsam voranschreiten. Wieder die Gefahren zu skizzieren, die damit für unsere Zukunft einhergehen, oder auf die enormen volkswirtschaftlichen Kosten hinzuweisen, die auf uns als Weltgemeinschaft zurollen. Erneut zu beschreiben, wie der BUND und andere Umweltorganisationen über Jahrzehnte diese Informationen kommuniziert haben und dass unsere Forderungen und Vorschläge von Politiker*innen weitestgehend ignoriert wurden. Die Folge ist, dass wir im Jahr 2020 global betrachtet kaum einen Schritt weitergekommen sind. Viel schlimmer noch: Wir haben wertvolle Zeit verloren. Arten sind ausgerottet, Dörfer weggebaggert und Naturräume zerstört worden - oder drohen zerstört zu werden, wie aktuell der Dannenröder Wald.

Einmal mehr ließe sich an dieser Stelle die Rolle von Großkonzernen wie Exxon, Shell, Ford oder General Motors anprangern, die seit Jahrzenten von den immensen ökologischen Schäden ihrer Geschäftsmodelle wissen und dennoch an ihnen festhalten. Beschreiben ließe sich, wie Exxon erst mit Umweltzerstörung Milliarden verdiente, um dann mit dem Geld massive Täuschungskampagnen zu finanzieren, die Öffentlichkeit zu belügen und die politischen Entscheidungsträger*innen davon abzuhalten, Maßnahmen gegen den Klimawandel einzuleiten. Dieser Text könnte wieder einmal darlegen, wie Klimawandel und Artenkrise, Pflegenotstand und Krise des Gesundheitssystems, erodierende Böden, Kinderarmut und prekäre Arbeitsbedingungen ihre gemeinsame Wurzel in unserem nicht zukunftsfähigen Wirtschaftssystem haben. Doch ein solcher Text wäre nur eine weitere Klage über die düstere Lage. Deshalb möchte ich Sie, liebe Leser*innen, an dieser Stelle einladen, aus verschiedenen Perspektiven gemeinsam mutig weiterzudenken.

Der BUND hat zuletzt am vergangenen Wochenende auf seiner Bundesdelegiertenversammlung eine umfassende sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gefordert. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Versuch, die Situation von vor der Coronakrise wiederherzustellen, zum Scheitern verurteilt ist. Stattdessen wollen wir Ansätze des Wirtschaftens in den Mittelpunkt stellen, bei denen Menschen zu Handelnden in eigener Sache werden, wo kreative Lösungen für ökologische oder soziale Probleme entstehen und Solidarität praktiziert wird.

Wir kennen diese Lösungen schon im Kleinen: Nachbarschaftshilfe, Projekte wie die Erneuerbaren Energien in Bürger*innenhand oder die solidarische Landwirtschaft, außerdem im kooperativen Wirtschaften, als handlungsleitender Gedanke von Genossenschaften, in Wohlfahrtsverbänden oder bei religiösen Einrichtungen als soziale Dienstleister. Regionale, vielfältige und dezentrale Versorgungsstrukturen wie im Bereich der Energie- und Landwirtschaft sind nicht nur klima- und umweltfreundlicher, sondern auch widerstandsfähiger gegenüber Schocks wie Finanzkrisen, Naturkatastrophen und letztlich Pandemien.

Mit der Ausrichtung auf eine ökologisch-soziale Gemeinwirtschaft wollen wir ein Zusammenleben organisieren, das auf dem Schutz von Klima, Biodiversität, Boden, Wasser und Luft basiert und dass allen ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen ermöglicht. Als verbindliche Leitplanken dieses zukunftsfähigen Wirtschaftens braucht es sowohl absolute Grenzen bei der Ressourcennutzung als auch einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Gesamtwirtschaft. Für eine Wirtschaft, die demokratischer organisiert ist und in der uns soziale Gerechtigkeit als ethischer und moralischer Grundwert leitet.

Ist dieser Vorschlag zu groß? Ist er unrealistisch? Auf den ersten Blick vielleicht. Doch ob wir handeln oder nicht: Uns stehen als Gesellschaft dramatische Umbrüche bevor. Wir können sie innerhalb unseres demokratischen Systems organisieren. Noch haben wir den Spielraum, sie zu gestalten - deshalb sollten wir das auch tun. Damit die Transformation gelingt, müssen wir dieses Projekt gemeinsam angehen.

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