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Koalitionsbruch wegen 86 Cent
Eine geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrages könnte am Widerstand der CDU in Sachsen-Anhalt scheitern
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) steht in den nächsten Tagen eine handfeste Machtprobe bevor. Seine Gegner? Ausgerechnet die eigenen Parteifreunde. Vergangene Woche wurde klar, dass die CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag bei einer für Anfang Dezember geplanten Abstimmung über eine für 2021 angedachte Erhöhung des Rundfunkbeitrages mit Nein stimmen will. Eine Katastrophe, nicht nur für den Ministerpräsidenten. Noch im Juni hatte Haseloff im Bundesrat seine Unterschrift unter den Staatsvertrag zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags gesetzt – damals bereits mit dem Hinweis, dass er womöglich im Parlament über keine Mehrheit verfügt. Das Problem: Einer Erhöhung müssen alle 16 Bundesländer zustimmen. Sagt ein Landtag Nein, tritt die Änderung nicht in Kraft. Die Folgen wären weitreichend.
Dabei geht es nur um Cent-Beträge. Der Rundfunkbeitrag soll von aktuell 17,50 auf 18,36 Euro im Monat steigen, was einer Erhöhung um 86 Cent entspricht. Es wäre die erste seit elf Jahren. Sachsen-Anhalts CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt begründet die Ablehnung auch damit, dass dies ein falsches Signal mitten in der Coronakrise sei. Tatsächlich aber ist die Auseinandersetzung grundsätzlicher. Es geht um die alte Frage, ob und wie ARD, ZDF und Co. ihrem gesetzlichen Programmauftrag gerecht werden. Gibt es zu viele Unterhaltungsformate, zu viele Radiostationen, ist die Bezahlung der Senderintendanten angemessen?
All diese Grundsätzlichkeiten verknüpft die CDU-Fraktion mit der Frage nach der geplanten Beitragserhöhung. Dabei geht ein Riss durch die Regierungskoalition. Während die CDU dagegen ist, sprechen sich SPD und Grüne dafür aus. Auch die oppositionelle Linksfraktion will der geplanten Beitragserhöhung zustimmen. Entscheidend in diesem Drama ist die AfD. Wenig überraschend positioniert sich die Rechtsaußenpartei gegen jede Beitragserhöhung, Polemik gegen die Öffentlich-Rechtlichen gehört bei ihr zum festen Repertoire. Will sich die regierende CDU also mit ihrem Nein durchsetzen, wäre sie auf die Stimmen der AfD angewiesen.
»Diese unheilige Allianz erinnert an den Tabubruch von Thüringen, als mit Hilfe von CDU- und AfD-Stimmen Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt wurde«, sagt Stefan Gebhardt, Linke-Landeschef in Sachsen-Anhalt und medienpolitischer Sprecher der Fraktion, dem »nd«. Es wäre verheerend, wenn die CDU gemeinsam mit der AfD die Axt an die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk anlegen würde. Auch die in einer Koalition mit CDU und SPD regierenden Grünen sind sauer. »Wenn sich die CDU mit der AfD verbündet, dann ist das ein Tabubruch«, warnt Grünen-Abgeordnete Dorothea Frederking gegenüber »nd«. Die Haltung sei »populistisch motiviert«, selbst die »schlüssigsten Sachargumente« würden bei der CDU nicht verfangen. Frederking stellt klar: »Mit ihrem Agieren steuert die CDU den Bruch der Koalition an, die als Bollwerk gegen rechts angetreten ist.«
Von einem »fatalen Signal« spricht auch Christoph Schmitz, Bundesvorstandsmitglied bei der Gewerkschaft Verdi. Der Eindruck »ARD, Deutschlandradio und ZDF würden durch einen höheren Rundfunkbeitrag übermäßig finanziert«, sei falsch. Tatsächlich würden durch die geplante Erhöhung nicht einmal die Preissteigerungen der letzten Jahre ausgeglichen. Bei den veranschlagten 86 Cent handelt es sich um keine willkürliche Zahl. Mögliche Erhöhungen des Beitrags werden durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgestellt. In dem Expertengremium sitzt jeweils ein Vertreter jedes Bundeslandes. Als Arbeitsgrundlage dient der durch die Sender angezeigte Finanzbedarf.
Einen Automatismus gibt es dabei mitnichten. Weil die KEF streng kalkuliert, müssen die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schon jetzt spürbar ihre Budgets kürzen.
Vergangenen Sommer erklärte der NDR, in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro einzusparen. Bis 2028 will der Sender seine Personalkosten um zehn Prozent senken, in allen Bereichen sollen mindestens 200 Planstellen wegfallen. Neben weniger »Tatort«-Folgen aus NDR-Produktion wird auch an Unterhaltungsshows und Liveveranstaltungen gespart. Betroffen sind allerdings auch Informationsangebote. Das Medienmagazin »Zapp« und das »Kulturjournal« sollen zunehmend nur noch im Web stattfinden.
Ähnliche Kürzungskonzepte werden aktuell von allen Sendern erarbeitet. Käme die geplante Rundfunkbeitragerhöhung nicht, sei eine »grundlegendere Beeinträchtigung« der Öffentlich-Rechtlichen zu befürchten. warnt Verdi-Vorstand Schmitz. In einem Schreiben vom Dienstag appellierten Verdi und der DGB an alle Fraktionen im Landtag, sich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu bekennen. Auch Gebhardt warnt: Der MDR gehört schon heute zu den am schlankesten aufgestellten Anstalten. »Hier würde ein Scheitern des Staatsvertrages richtig ins Kontor schlagen, es würde definitiv zu Entlassungen kommen und selbstverständlich würde auch die Programmvielfalt darunter leiden.«
Fällt die Beitragserhöhung aus, müssten sich die Sender noch stärker einschränken. Zu befürchten ist, dass Einsparungen auf Kosten der insgesamt etwa 18 000 freien Mitarbeiter gehen würden. Bereits 2019 stellte die Rosa-Luxemburg-Stiftung in einer Studie fest, dass freie Mitarbeiter oft benachteiligt sind. Die Forscher warnten: »Die seit Jahren andauernden Umstrukturierungen scheinen den Druck gerade auf diejenigen zu erhöhen, die wenig abgesichert sind.«
Reformbedarf sieht allerdings auch Gebhardt: Die Intendanten- und Direktorengehälter seien zu hoch, auch sollten »ARD und ZDF deutlich mehr Engagement im Osten zeigen«. Allerdings hätten Gespräche mit Vertretern der Anstalten auch gezeigt: »Die Bereitschaft zur Veränderung ist da.«
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