Leuchtende kommunale Zukunft

Die geplante Übernahme des Berliner Stromnetzes soll den Klimaschutz verbessern.

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes treibt die Zivilgesellschaft und Umweltgruppen seit Jahren um. Dass der schwedische Energiekonzern Vattenfall dem Senat das Stromnetz nun zum Kauf anbietet, wird deshalb sehr begrüßt. »Der Rückzug ist eine gute Nachricht, die Stadt Berlin bekommt dadurch mehr Möglichkeiten, was den Ausbau der Energienetze angeht«, sagt Eric Häublein vom Bündnis Kohleausstieg Berlin, das sich für mehr Klimaschutz und eine Energiewende in der Hauptstadt einsetzt. Der Klimaschützer sieht es als originäre Aufgabe des Staates an, Energienetze wie das Strom-, das Gas- oder das Fernwärmenetz zu betreiben. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen erwarten sich von einem kommunalen Betreiber wie der Berlin Energie auch mehr Beteiligungsmöglichkeiten, so Häublein gegenüber »nd«.

Bereits 2013 setzte der Berliner Energietisch einen landesweiten Volksentscheid über die Zukunft des Stromnetzes durch. Den Befürwortern der Rekommunalisierung fehlten seinerzeit lediglich 29 000 Stimmen, um das nötige Quorum zu erfüllen. Mit Vattenfalls Angebot an das Land Berlin, das Stromnetz der Hauptstadt zu übernehmen, könnte das starke Votum der Berlinerinnen und Berliner nachträglich doch noch umgesetzt werden. Um das Netz zu betreiben, stehen dem landeseigenen Unternehmen Berlin Energie auch weitere lokale Partner aus dem zivilgesellschaftlichen Spektrum zur Verfügung. »Wir erwarten nun die genossenschaftliche Beteiligung am Stromnetz, die im Koalitionsvertrag festgehalten ist«, sagt Christoph Rinke, Vorstand der Genossenschaft Bürgerenergie Berlin. Er geht davon aus, kurzfristig in die Verhandlungen zwischen Senat und Vattenfall einbezogen zu werden. Die Bürgerenergie Berlin selbst sieht sich ihrem Ziel nah und stehe mit ihren Mitgliedern und einer engagierten Öffentlichkeit bereit, einen nennenswerten wirtschaftlichen Anteil beim Rückkauf des Stromnetzes zu übernehmen, heißt es.

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Aus der zuständigen Senatsverwaltung für Finanzen gibt es aktuell derzeit wenig Neues zu den laufenden Verhandlungen. Vage heißt es, man sei bei dem Thema schon weitergekommen, insbesondere in Bezug darauf, eine geeignete Projektstruktur aufzustellen. »Was Gutachten angeht, ist es hier für ein Ergebnis allerdings noch zu früh«, erklärte eine Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).

Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass ein Beschluss des Senats zur Stromnetzübernahme neuerdings erst für März kommenden Jahres erwartet wird. Vattenfall hatte seinen Rückzug vor allem mit den jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen über das Stromnetz begründet, die auch Entscheidungen zu Investitionen in Milliardenhöhe erschweren würden. Für Berlin, das laut seines Verhandlungsführers, dem Finanzsenator, ursprünglich eine Übernahme des Stromnetzes zum 1. Januar 2021 anstrebte, geht es nun darum, zu erfahren, wie viel das Netz mit seinen 35 088 Kilometern Länge wert ist. Dazu soll ein unabhängiger Gutachter eine Einschätzung abgeben. Schätzungen zufolge liegt der Wert zwischen einer und drei Milliarden Euro. Eine stattliche Summe, die das klamme und coronageplagte Berlin allerdings meint, über Kredite stemmen zu können, die das landeseigene Unternehmen Berlin Energie aufnehmen und über die Netzentgelte zurückzahlen soll. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin soll das landeseigene Unternehmen zu fairen und sicheren Arbeitsbedingungen übernehmen.

Wichtigster Grund für die Übernahme-Pläne des Stromnetzes von Rot-Rot-Grün ist jedoch eine Stärkung des Klimaschutzes. »Ein kommunaler Stromnetzbetreiber ist ein unterstützender Faktor für die Energiewende und den Klimaschutz«, sagt Michael Efler, der Energieexperte der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Zentraler Player in den klimaschutzpolitischen Vorstellungen des Linkspartei-Politikers sind allerdings die Berliner Stadtwerke, die derzeit die meisten neuen Solaranlagen in der Stadt errichten und immer mehr erneuerbare Kapazitäten ausbauen.

Wie Efler von Energieerzeugern gehört haben will, haben die Unternehmen aber in Berlin manchmal Anschlussprobleme. »Nahezu alle erneuerbaren Erzeugungsanlagen speisen erst mal in das lokale Netz ein«, berichtet auch Stefan Taschner, der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Ein proaktiver Netzbetreiber kann dafür sorgen, dass man problemloser ans Netz gelangt«, sagt er. Angesichts der ambitionierten Pläne des Senats beim Thema Solarcity und dem Ausbau der Solarenergie braucht es diesen proaktiven Netzbetreiber. Soll wohl heißen: Mit der Vattenfall-Tochter war nicht immer alles so einfach wie gewünscht.

Efler und Taschner kennen sich lange, sie waren beide seinerzeit beim Berliner Energietisch aktiv, die Übernahme des Stromnetzes und die Errichtung eines Stadtwerks sind ihnen seit Langem ein Anliegen. »Es ist offensichtlich, dass die Elektromobilität vor dem Take-off steht«, sagt Efler. Da brauche es mehr staatliche Interventionen bei der Ladeinfrastruktur. Efler hat es privat eben erst selber durchgemacht, wie schwer es derzeit in Berlin ist, eine funktionierende Ladesäule zu finden. Mehr öffentliche Regulierung und Preisstabilität könnten dagegen die Hemmnisse bei der Elektromobilität senken. Auch wenn es natürlich die vornehmliche Aufgabe eines Netzbetreibers ist, den Strom quasi zu managen und nicht selber eine Ladesäulen-Infrastruktur zu bauen. Ein kommunaler Betreiber verspricht aber auch eine schnellere Digitalisierung des Netzes, die für die Energiewende unerlässlich ist.

Am Ende geht es aber darum, neben dem Stromnetz am besten auch einen kommunalen Zugriff auf das Gas- und Fernwärmenetz zu bekommen. »Der integrierte Netzbetrieb wäre sinnvoll«, sagt Efler. Überschüssiger Strom könnte beispielsweise mit der Power-to-Gas-Technologie im Gasnetz zwischengespeichert werden. Klar ist aber laut Efler auch: »Das Stromnetz ist das entscheidende Netz - von der Wertigkeit her, von der Steuerung.«

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