Werbung

Massenproteste gegen den Hindunationalismus

Die anti-muslimische und unsoziale Politik der indischen Zentralregierung stößt zunehmend auf Widerstand

  • Aurel Eschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 2016 gibt es immer wieder Studierendenproteste gegen den politischen Zugriff auf die staatlichen Universitäten Indiens. Eines der Epizentren dieses Kampfes ist die linke Jawaharlal-Nehru-Universität in Delhi. Nur 8000 Studierende zählt die Hochschule, dennoch ist sie von großer gesellschaftspolitischer Bedeutung. Hier werden die zentralen sozialen Konflikte des Subkontinents thematisiert: Die Kastendiskriminierung, die soziale Ungleichheit oder Frauenunterdrückung zum Beispiel. Die Universität ist deshalb vielen Hindunationalisten ein Dorn im Auge. Im Januar wurden Studierende und Lehrende von einem rechten Mob angegriffen. Die Attacken hingen auch mit den Campusprotesten gegen ein Gesetzesvorhaben zusammen, dass viele Studierende scharf kritisierten.

Im Dezember 2019 verabschiedete die Zentralregierung den »Citizenship Amendment Act«, mit dem nicht-muslimischen Migrant*innen ein Weg zu Staatsbürgerschaft geöffnet wird. Erstmals wird damit die nationale Zugehörigkeit zu Indien an der Religion festgemacht. Gleichzeitig fürchteten viele Beobachter*innen, dass die Regierung mit der Einführung eines Nationalen Bürgerregisters plane, indische Muslime staatenlos zu machen.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Diese Gesetze lösten im ganzen Land und in der Diaspora gigantische Demonstrationen und Blockaden mit Millionen von Teilnehmer*innen aus. Symbolort der Bewegung wurde der von muslimischen Frauen besetzte Platz Shaheen Bagh in Delhi. Die Demonstrationen dauerten drei Monate an und wurden durch harte staatliche Repression und von gewalttätige Hindu-Mobs unterdrückt. Ein Ende der Proteste kam aber erst durch den strengen Covid-19-Lockdown im März.

Nach dem Lockdown brachen aber erneut Proteste los, diesmal gegen Liberalisierungen des Arbeitsschutzes, die bis heute anhalten. Im September kam es darüber hinaus zu großen Demonstrationen gegen sexuelle Gewalt - nach einer Gruppenvergewaltigung im Ort Hathras. Es war das erste Mal überhaupt in der indischen Geschichte, dass ein Fall von Gewalt gegen im Kastensystem marginalisierte Dalits durch Angehörige der oberen Kasten einen nationenweiten Protest auslöste.

Auch die seit zwei Monaten andauernden Bäuer*innenproteste gehen derweil weiter. Nachdem die Zentralregierung in Delhi sich weigerte, auf die Forderungen der Protestierenden einzugehen, kündigten diese am Donnerstag an, ihren Kampf fortzusetzen. Den Bäuer*innen wird weiter der Zugang zur Hauptstadt verwehrt, Hunderttausende von ihnen haben sich an den Stadtgrenzen versammelt, wo viele von ihnen lagern. Chanda Singh, eine Bäuerin und Protestorganisatorin, sagte zu Al Jazeera, die Regierung habe ihre Forderungen rundheraus abgelehnt. »Die Mitglieder der Delegation der Regierungsseite waren nicht bereit, auf unsere Forderungen einzugehen, und sie haben uns keine andere Wahl gelassen, als auf der Straße zu protestieren«. Rahul Gandhi, Chef der oppositionellen Kongresspartei, warf Premier Narendra Modi Vetternwirtschaft vor. Dessen Landwirtschaftspolitik diene ausländischen Unternehmen auf Kosten der eigenen Bevölkerung.

Lesen Sie auch: Der größte Streik der Weltgeschichte?

Auch im Ausland werden die indischen Bäuer*innenproteste wahrgenommen - vor allem das gewaltsame Vorgehen dagegen. In Kanada und Großbritannien kritisierten Abgeordnete mit indischen Vorfahren den Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern gegen die Protestierenden. Kanadas Premierminister Justin Trudeau ist der erste Staatschef weltweit, der seine Solidarität mit den Bäuer*innen ausdrückte. Madhav von der regierenden Hindunationalistischen Bharatiya Janata Party wies die Kritik als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!