Schlechter Wehrdienst, guter Wehrdienst?
Die Bund-Länder-Kommission und der »Härtefallfonds« für Ostrentner
Haben Versicherte einen Wehr- oder Zivildienst absolviert, werden hierfür im Rahmen der Rentenberechnung sogenannte Entgeltpunkte gutgeschrieben. Dabei geht es zwischen Ost und West nicht immer gleich zu. Aber eine Bund-Länder-Kommission arbeitet an einem »Härtefallfonds«.
DDR-Renten sind politisch ein Dauerbrenner
Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ist ein »Härtefallfonds« für verschiedene Gruppen von Ostrentnern vereinbart worden. Bis heute wird diskutiert, wer Zahlungen erhalten soll. Dabei könnten die genauen Rahmenbedingungen für bestimmte Personen- und Berufsgruppen, die in der Deutschen Demokratischen Republik gewirkt haben, eigentlich längst gesteckt sein. Dies wurde am Runden Tisch in Leipzig am 20. November 2019 als Zielrichtung ausgegeben. Dann kam »Corona«. Wohl noch wichtiger: Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe stellte fest, wie kompliziert die Materie ist.
Zu den umstrittensten Themen gehört der Wehrdienst. Haben Rentenversicherte einen Wehr- oder Zivildienst absolviert, werden hierfür im Rahmen der Rentenberechnung Entgeltpunkte gutgeschrieben. Entgeltpunkte sind ein wichtiger Bestandteil der Rentenformel. Wie hoch die tatsächliche Rentenzahlung ist, hängt grundsätzlich davon ab, wie viel Beitrag jemand während seiner Erwerbstätigkeit auf sein Rentenkonto eingezahlt hat.
Nun sammelt aber dieses Konto nicht einfach das Geld ein und bewahrt es, etwa wie ein traditionelles Sparbuch, für später auf. Stattdessen rechnet die Rentenversicherung die eingezahlten Beiträge in Entgeltpunkte um, die auch Rentenpunkte genannt werden.
In etlichen Leserbriefen an den nd-Ratgeber wurde auf die Ungleichbehandlung von Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Bundeswehr hingewiesen. Kernpunkt ist die unterschiedliche Bewertung von Wehrdienstzeiten bei NVA und Bundeswehr für Zeiträume vor 1982. Pro Jahr Wehrdienst bei der Bundeswehr erhielten Soldaten 1,0 Entgeltpunkte. Wurde der Wehrdienst bei der NVA geleistet, gibt es nur 0,75 Entgeltpunkte-Ost.
Dagegen legten nd-Leser Widerspruch bei der Deutschen Rentenversicherung in Berlin ein. Sie sehen in dieser Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Abs.1), wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
Keine Einzelfälle. Mit diesem Thema beschäftigt sich intensiv die Kanzlei des Dresdner Rentenberaters Christian Lindner. Nach seinen Angaben sind Verfahren bei den Sozialgerichten »in großem Umfang anhängig«. Am weitesten fortgeschritten seien zwei Berufungsverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz (Az. L 4 R 453/20 und Az. L 5 R 456/20).
Wie sich Rente berechnet
Schon ohne die Unterscheidung in Ost und West ist die Rentenformel überaus verzwickt. So ergibt sich die Höhe der Entgeltpunkte unter anderem aus dem Verhältnis des Einkommens des Versicherten mit dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten.
Nachfolgend Beispiele, mit denen die Deutsche Rentenversicherung versucht, den Modus zu erklären. Die Zahlen gelten für das Jahr 2017:
Verdienst des Versicherten 76 200 Euro dividiert durch 37 103 Euro (Durchschnittsentgelt) ergibt 2,05 Entgeltpunkte.
Verdienst 37 103 Euro dividiert durch 37 103 Euro (Durchschnittsverdienst) ergibt genau 1 Entgeltpunkt.
Verdienst 18 551,50 Euro (halber Durchschnittsverdienst) dividiert durch 37 103 Euro (Durchschnittsverdienst) ergibt 0,5 Entgeltpunkte.
Bei sogenannten Ost-Verdiensten wird das tatsächliche Einkommen noch um einen Faktor »Hochwertung Ost-Verdienste« gewichtet.
Damit nicht genug, kam es durch zahlreiche Gesetzesänderungen in der Vergangenheit zu vielen Änderungen, wie etwa die Zeiten eines Wehrdienstes oder Zivildienstes zu bewerten sind. Je nach Zeitraum, in dem der Wehr- bzw. Zivildienst einst absolviert wurde, werden unterschiedlich hohe Entgeltpunkte bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt.
Ähnliches gilt für andere Berufsgruppen oder für Schul- und Studienzeiten, die auch Westdeutschen von den jeweiligen Bundesregierungen zusammengestrichen wurden.
Die Probleme der Praxis
Schon an der Bewertung von Wehr- und Zivildienstzeiten zeigt sich, wie schwierig die Rentenberechnung in der Praxis ist. Aufgrund der vielfältigen Berechnungsschritte können sich daher leicht Fehler einschleichen, die zu finanziellen Nachteilen (oder Vorteilen) führen.
Bezogen auf den regulären 18-monatigen Wehrdienst in der NVA bedeutet die Schlechterbehandlung der früheren NVA-Soldaten eine Minderung des monatlichen Rentenanspruchs von etwa 12 Euro.
Es ist daher jedem zu empfehlen, seinen Rentenbescheid von einer unabhängigen Stelle überprüfen zu lassen! Für die Überprüfung von Rentenbescheiden stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung, die unabhängig von den Rentenversicherungsträgern arbeiten.
Einen Berater in Ihrer Nähe finden Sie auf der Internetseite des Bundesverbandes der Rentenberater in Berlin unter Tel. (030) 62 72 55 02. Auch die bundesweiten Verbraucherzentralen beraten gegen eine Gebühr.
»Fonds für Härtefälle« in Sicht
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wirkt noch immer. Im Juli hatte man sich auf einen »Fonds für Härtefälle« verständigt. »Es besteht Einvernehmen, dass dadurch eine Abmilderung von finanziellen Härten und - soweit möglich - eine finanzielle Anerkennung entstandener Enttäuschungen und individuell wahrgenommener Ungerechtigkeiten bei den Betroffenen erreicht werden soll«, teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf nd-Anfrage mit.
Nun gelte es, die Fondslösung in den Einzelheiten auszuarbeiten. »Es werden dabei noch schwierige Abwägungen nötig sein, um die Ziele zu erreichen«, hieß es weiter. Dem wird niemand widersprechen.
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