Klimapolitik bleibt Mittelmaß

Umweltorganisationen stellen Klimaschutz-Index 2020 vor

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Der diesjährige November war weltweit so warm wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen des europäischen Copernicus-Klimawandeldienstes im Jahr 1979. Auch das ist ein Hinweis auf die Dringlichkeit einer veränderten Politik in der Klimakrise. Wie mittelmäßig es um den Klimaschutz allerdings bestellt ist, zeigt der am Montag veröffentlichte »Climate Change Performance Index« der Umweltschutzorganisationen Germanwatch, CAN International und dem NewClimate Institute. Der Klimaschutz-Index vergleicht den Klimaschutz in den 57 emissionsstärksten Ländern und der EU (gesamt), welche für insgesamt 90 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind.

Demnach ist kurz vor dem kleinen UN-Klimagipfel am kommenden Samstag noch immer kein Land gut genug für die Pariser Klimaziele - wie in den Vorjahren bleiben die ersten drei Plätze im Klimaschutz-Index erneut unbesetzt. Spitzenreiter bleibt demnach Schweden, gefolgt von Großbritannien, Dänemark, Marokko, Norwegen und Chile.

Auch in Europa sei das Bild wenige Tage vor Beginn des EU-Gipfels zum Klimaziel 2030 »zwiespältig«, wie Germanwatch am Montag mitteilte. Während vor allem die skandinavischen EU-Staaten, Aufsteiger Portugal und die EU selbst mit recht guten Noten in der Top-Region des Index zu finden sind, gibt es mit Ungarn, Polen, Tschechien, Slowenien und Zypern auch Ausreißer nach unten.

»Unser Klimaschutz-Index zeigt deutlich, dass die EU am Scheideweg steht«, sagte Hauptautor Jan Burck von Germanwatch. »Die EU kann mit einem grün ausgerichteten Wiederaufbau nach der Coronakrise, einem ehrgeizigeren neuen Klimaziel für 2030 und einer guten Umsetzung ihres Green Deal zum Zugpferd werden.« Umso wichtiger sei jetzt, »dass die weltweiten Konjunkturpakete nicht nur die Wiederbelebung der Wirtschaft unterstützen, sondern auch auf eine CO2-freie Wirtschaft vorbereiten«, sagte Co-Autor Niklas Höhne vom NewClimate Institute.

Die Europäische Union könne aber auch »schwer ins Straucheln geraten, wenn sie Greenwashing betreibt«, so Burck. Denn auf Platz 16 der Gesamtwertung verbessern konnte sich die EU hauptsächlich, weil sie ihre Klimapolitik verbessern will, konkrete Umsetzungen sind aber noch nicht beschlossen. »In der Platzierung stecken also ein paar Vorschusslorbeeren«, so Burck.

Deutschland hat im Klimaschutz-Index vier Plätze gutgemacht und liegt nun auf Platz 19 - aber noch hinter Staaten wie Indien, Chile und Marokko. Auch hier lautet die Gesamtbewertung weiter nur »mittelmäßig«, wie die Autoren mitteilten. Deutschlands Problemfelder sind nach dem Urteil der Studienautor*innen zu schwache Ausbauziele für erneuerbare Energien, viel zu wenig Fortschritt im Verkehrssektor sowie ein weiter hoher Energieverbrauch und auch hohe Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase pro Einwohner*in. »Deutschland ist noch lange kein Klimachampion«, sagte Burck.

»Desaströs« nannten die Organisationen das Abschneiden der USA: Zum Ende der Amtszeit von Präsident Donald Trump liegen sie zum zweiten Mal in Folge ganz am Ende der Liste. Die Pläne des designierten neuen Präsidenten Joe Biden eröffneten große Chancen, »allerdings nur, wenn die Ankündigungen aus dem Wahlkampf tatsächlich umgesetzt werden«.

Ebenfalls weit hinten liegen auch Saudi-Arabien, Australien und Russland - allesamt reiche Staaten, wie Stephan Singer von CAN International am Montag kritisierte. Diese Länder hätten aktuell keine gute Klimapolitik und auch keinen guten Plan für die Zukunft. Zudem fehle es weiter massiv an finanzieller Unterstützung für arme Länder.

Die Autor*innen sehen auch ermutigende Signale. So könnte der Höhepunkt bei den weltweiten Emissionen von Kohlendioxid erreicht sein. Der Klimaschutz-Index betrachte noch die Emissionen vor Beginn der Corona-Pandemie, zeichne also kein verzerrtes Bild. Die CO2-Emissionen stiegen insgesamt nur noch ganz leicht an, in mehr als der Hälfte der betrachteten Staaten sanken sie. In zwei Dritteln der Länder werden nun mehr als zehn Prozent der insgesamt benötigten Energie aus erneuerbaren Energien gewonnen - in zwölf davon sogar mehr als 20 Prozent.

Die Grünen-Sprecherin für Klimapolitik, Lisa Badum, sprach anlässlich der Vorstellung von einem »Armutszeugnis«. Kein Land sei in der Lage, eine Klimapolitik abzuliefern, die das Prädikat »sehr gut« verdiene. »Umso wichtiger ist jetzt, den Umbau unserer weltweiten Wirtschaftssysteme am Klimaschutz zu orientieren und nicht so weiterzumachen wie bisher.«

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