Kommunikative Vernunft am Ende

Die Menschheit fliegt auf den Mond und verkauft Kerzen für 100 Euro, aber Zoom läuft so unzuverlässig wie ein einradfahrender Elefant

  • Adrian Schulz
  • Lesedauer: 2 Min.

Das ist ja mal wieder der Wahnsinn: Die westliche Welt in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit schafft es sogar, die eigentlich doch total olle Kerze zu einem Luxusprodukt aufzupumpen, das mal 50, manchmal gar 100 Euro kosten soll und - man soll sich zudem auch gebraucht fühlen - aufwendiger »Pflege« durch diejenigen bedarf, die sie abfackeln (Dochtschere!). Doch das Feuer der Konversation dagegen, das ohnehin nur allzu selten wirklich lodert, mag auch nach fast einem Jahr Pandemie nicht zuverlässig in den digitalen Schweberaum herüberwabern.

Der Alltag auf Zoom, Skype und im Forum von www.skatinsel.de sieht hingegen düster aus - und ich muss es wissen. Ich tue schließlich seit neun Monaten kaum etwas anderes, als anderen Menschen dort zu erzählen, dass eigentlich relativ wenig in meinem Leben passiert, und danach mit ihnen die neueste Show auf RTL anzuschauen, für die sich jetzt nur noch einer von den beiden Beteiligten einen Fake-Account für den Gratismonat im Streamingportal von RTL anlegen muss, weil man ja den Bildschirm teilen kann. Wunder der Technik!

Das ist ja eigentlich eine Supersache, dieser Zeitvertreib, zumal tatsächlich wenig »von Belang« vor sich geht, und adelig bin ich schon mal gar nicht. Also: Supersache! Wären da nicht - und spätestens jetzt enthülle ich mich als der Opa, dem die Haare aus den Ohren wachsen; ich stehe dazu - die mindestens genauso stark spürbaren Tücken der Technik. »Du bist eingefroren« war bis vor Kurzem noch ein Satz, den ich allenfalls zu meinem Grünkohl sagte, und selbst der schaute dann leicht verwundert.

Und dann gibt es doch noch so ein Ding: Dass Zoom, zumindest bei mir, immer nur eine Stimme gleichzeitig überträgt und die anderen automatisch wegblendet. Zusammen mit dieser leichten Zeitverzögerung, die irgendwie immer drin sein muss, ergibt sich eine ähnliche Situation wie die, wenn zwei sich entgegengehende Menschen einander ausweichen wollen, aber immer in dieselbe Richtung gehen. Mit dem Unterschied, dass man bei der Videotelefonie ja auch noch so toll mit Rückkopplung und Hintergründen herumspielen kann, ich mich also zum Beispiel in den Schoß von Jürgen Habermas reinlegen kann, ohne dass der auch nur etwas davon mitbekommt.

Kurz, wenn man nicht durchdreht, hat man jedenfalls einen ordentlichen Schwindel nach jeder Zoom-Session. Jede und jeder kann zum DJ seiner eigenen Bilder mutieren, die Freund*innen neben das Cover der kommunikativen Vernunft montieren und die Gegebenheiten des intersubjektiven Vermittlungszusammenhangs sprengen, dass die Laune lila glüht.

Und falls die Verbindung abbr

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