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Eine Delle für Autodeutschland
Den Dannenröder Wald haben sie verloren. Gegen Autobahnau wollen die Aktivisten weiterkämpfen
Mehr als ein Jahr Besetzung endeten am Dienstag im Dannenröder Wald in Mittelhessen. Die letzten Aktivisten wurden aus Baumhäusern im Dorf »Oben« geholt, die Bäume, auf denen sie gelebt hatten, gefällt. Ist das das Ende des Widerstands gegen den Bau der Autobahn 49, die Kassel und Gießen schneller miteinander verbinden soll? Mitnichten, wenn es nach den Aktivisten geht. Am Mittwochvormittag hatten sie zu einer Pressekonferenz am Rand der Rodungsschneise eingeladen, die sich nun quer durch den Wald zieht.
Charlie Linde vom bundesweiten Solidaritätsbündnis »Wald statt Asphalt« machte dabei darauf aufmerksam, wie fatal die Räumung des Dannenröder Waldes sei. Die Klimakrise sei »heute schon Realität«, der »Danni« einer von wenigen gesunden Mischwäldern. Die Grünen, die in Hessen gemeinsam mit der CDU regieren, hätten durch ihre Passivität gezeigt, dass ihnen der Koalitionsfrieden wichtiger als Klimaschutz sei. Das ist aus Sicht von Linde allerdings kein Grund zu resignieren. Der Widerstand im Dannenröder Wald habe gezeigt, dass die Klimagerechtigkeitsbewegung eine »Macht« ist, »mit der gerechnet werden muss«. Mit dem »vielfältigen Protest« und »massenhaftem zivilen Ungehorsam« sei der Wald zum Symbol für die Bewegung für eine Mobilitätswende geworden. Die Sprecherin des Bündnisses »Wald statt Asphalt« zeigt sich überzeugt, dass Autobahnen nicht mehr ohne starken Protest durch Wälder geplant werden können. Die 850 Kilometer Neubau, die für die nächsten zehn Jahre im Bundesverkehrswegeplan stehen, bedeuteten »850 Kilometer Widerstand«. Für Linde hat »Autodeutschland« im Dannenröder Wald eine »dicke Delle bekommen«.
Nach einer Umfrage des Hessischen Rundfunks (HR) ist die Delle allerdings nicht ganz so dick. 53 Prozent der Hessen halten die Rodung für richtig. 39 Prozent für falsch. Bei den 18- bis 39-Jährigen sieht es genau andersherum aus. 90 Prozent halten den Ausbau von Straßen für angemessen oder gar zu wenig. Auch dem hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir und den Grünen hat die Rodung nicht geschadet. Die Partei gewinnt im HR-Hessentrend zwei Prozentpunkte hinzu. Al-Wazirs Handeln wird von 63 Prozent der Befragten als richtig eingeschätzt.
Lola und Funky, zwei Menschen, die im Dannenröder Wald gelebt haben, sehen das anders. Sie berichteten am Mittwochmorgen vor allem darüber, wie es war aufzustehen, wenn die Siebenschläfer schlafen gehen, auf einem Baum vom Wind gewiegt zu werden. Und, das war beiden wichtig, ein anderes Leben zu führen als draußen in der Gesellschaft. Sie beschrieben das anarchistische, antirassistische und feministische Selbstverständnis der Besetzung.
Barbara Schlemmer, Grünen-Stadträtin in Homberg und Mitglied der Bürgerinitiative gegen die A49 erklärte, man werde weitere rechtliche Schritte gegen den Autobahnbau prüfen. Die mit einem Zaun und Stacheldraht eingezäunte Rodungsschneise bezeichnete sie als »Todesstreifen«. Der Staat habe sich wie in einem »Einsatz gegen Terroristen« verhalten. Einsätze auch gegen Aktivisten im Seniorenalter seien »entsetzlich« gewesen. Deswegen hätten viele ihren Glauben an den Rechtsstaat verloren. Schlemmer lobte die Solidarität der Linke-Fraktion im hessischen Landtag und von Linken-Bundestagsabgeordneten. Mahnwachen und Sonntagsspaziergänge im Wald sollen weitergehen. Im nächsten Jahr ist ein großes Klimacamp im Wald geplant.
Auch die Polizei rechnet mit weiterem Protest im Dannenröder Wald und will ihre Mannschaftsstärke vor Ort »tagesaktuell anpassen«. In der Räumungszeit seien täglich etwa 2000 Polizisten im Forst gewesen. Unterstützung erhielt die hessische Polizei dabei aus allen Bundesländern und von der Bundespolizei. Polizeisprecher Jochen Wegmann befand, man könne den Einsatz »als Erfolg werten«. Seine Kollegin Sylvia Frech sprach sogar von einer »Meisterleistung«, Hunderte Aktivisten sicher von Bäumen gebracht zu haben. Das Einsatzmotto »Sicherheit geht vor Geschwindigkeit« sei keine Floskel gewesen. Man habe vor einer Vielzahl an Herausforderungen gestanden, und die Aktivisten hätten mit einer »Eskalation« versucht, einen Rodungsstopp zu erzwingen. Bei Polizeibeamten habe es Fehlverhalten nur in »Einzelfällen« gegeben. Dies würde aufgearbeitet. Pauschale Polizeikritik sei nicht angebracht, so die beiden Polizeisprecher. Tatsächlich gab es bei den Räumungen mehrere Schwerverletzte, die aus vielen Meter Höhe stürzten.
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