Wie umgehen mit den Querdenkern

Innenminister und Sicherheitsbehörden uneins bei der Bewertung der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mordaufrufe gegen Forscher und Politiker, Übergriffe auf Menschen, die sich an die Maskenpflicht halten, auf offener Bühne geäußerte Umsturzfantasien gegen die Regierung: Auf Nachfrage von Journalisten betonen Anhänger der sogenannten Querdenker ihr angeblich friedliches Verhalten, doch in der Realität blieb es wiederholt nicht bei Drohungen. Ende Oktober verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine Außenstelle des Robert-Koch-Institutes in Berlin, im thüringischen Landkreis Hildburghausen musste Landrat Thomas Müller (CDU) Ende November unter Polizeischutz gestellt werden, weil er die Proteste gegen den im Kreis verhängten Lockdown kritisierte. Bei einem Querdenken-Aufmarsch am 7. November in Leipzig zählte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union 29 verbale und körperliche Angriffe auf Medienvertreter. Die Gewerkschaft sprach damals von einer neuen Dimension an Gewalt, die zu beobachten sei.

Dass die Anhänger der Querdenker alles andere als friedlich sind, haben inzwischen auch die Sicherheitsbehörden erkannt. In einer Stellungnahme warnte das Bundesamt für Verfassungsschutz am Donnerstag vor einer »Steigerung in der Bereitschaft zur Gewaltanwendung«. Ob der Geheimdienst die Gefahr richtig einschätzt, ist zu bezweifeln. Zwar beobachten die Sicherheitsbehörden, dass insbesondere an Protesten mit vielen Teilnehmern rechtsextreme Gruppen und Parteien beteiligt sind, diese aber bisher noch nicht »einen prägenden Charakter« erreicht hätten.

Wie mit den Querdenkern umzugehen ist, darüber beraten die Innenminister von Bund und Ländern auf ihrer Konferenz bis Freitag. Nicht so lange warten wollte der Landesverfassungsschutz in Baden-Württemberg. Am Mittwoch verkündete Innenminister Thomas Strobl (CDU), dass »Querdenken 711« aus Stuttgart künftig von den Sicherheitsbehörden überwacht werde.

Aus den anderen Ländern kamen dagegen unterschiedliche Signale. Während Niedersachsen noch keine Gefahr durch die gesamte Querdenken-Bewegung im Land sieht, heißt es von Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), im Freistaat sei eine deutliche Tendenz in eine rechtsextreme Richtung zu erkennen.

Dass der Verfassungsschutz Querdenken stärker in den Blick nimmt, ist für den Politologen Michael Lühmann vom Göttinger Institut für Demokratieforschung eine widersprüchliche Nachricht. »Die Überwachung durch den Verfassungsschutz wäre ein Signal – weniger eines der Sicherheitsbehörden, dass sie einen Sachverhalt auf dem Schirm haben, als viel mehr eines, das gewisse Zusammenhänge als gefährlich markiert werden.« Die Strukturen innerhalb der Querdenken-Bewegung, die Verbindungen zur extremen Rechten und zu Reichsbürgern seien aber längst bekannt, so Lühmann gegenüber »nd«.

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»Für antifaschistische Zusammenhänge, die hier viel Recherchearbeit leisten, mag das bisweilen verhöhnend wirken, weil der Verfassungsschutz in der Regel zu spät reagiert, hinter den existierenden Kenntnissen zurückbleibt und im Zweifel sogar über V-Leute Geld in die Strukturen schleust«, sagt der Politologe. Allerdings sieht Lühmann auch positive Effekte. Gruppen wie Querdenken, aber auch die AfD, würden durch eine Beobachtung der Behörden in jenen Teilen der Gesellschaft an Anschlussfähigkeit verlieren, die sich von als extremistisch markierten Gruppen distanzieren wollen. Das wiederum allerdings verdecke, dass die sogenannte Mitte der Gesellschaft ebenso anschlussfähig für Verfassungs- und Menschenfeindlichkeit ist.

»Wer glaubt, Verschwörungsideologen geheimdienstlich bekämpfen zu können, ist auf dem Holzweg«, warnt die Linken-Politikerin Ulla Jelpke. Weil der Verfassungsschutz als Geheimdienst außerhalb demokratischer Kontrolle stehe, sei er »damit selbst Teil des Problems«, sagt die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag. Aktuell hat Jelpke eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, wie sie die »Radikalisierungstendenzen bei sogenannten Corona-Rebellen« bewertet. Darin geht es unter anderem um Erkenntnisse zu Gewaltaufrufen und staatsgefährdende Ziele der Bewegung. Eine Antwort der Bundesregierung steht aus. Auch Jelpke sieht, dass eine Bewertung der Querdenker schwierig ist. Diese sei »keine einheitliche Bewegung«.

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