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»Ich hasse die Natur«
Die Weimarer Klassik-Stiftung widmet sich im kommenden Jahr der Gartenkunst und dem Klimawandel
Die Weimarer Parks gehören nicht umsonst zum Unesco-Weltkulturerbe. Nirgends sonst ist eine Stadt so nah mit den kunstvoll gestalteten Anlagen verbunden, die von jedem Punkt erreicht werden können. Den Landschaftspark an der Ilm, gern als Goethe-Park bezeichnet, verbindet ein Wegenetz mit dem Park am Schloss Belvedere und - in die andere Richtung - mit dem Park von Tiefurt. In diesen von menschlicher Hand geschaffenen Naturräumen will sich die Weimarer Klassik-Stiftung im kommenden Jahr Fragen zu Gartenkunst und Klimawandel stellen.
Für Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz zeigt sich in diesem Themenspektrum die unter ihrer Führung begonnene strategische Neuausrichtung des »großen Tankers«: aktuelle gesellschaftliche Debatten führen und die Arbeit transparenter machen. Mit dem »Grünen Labor« wird das Herzstück im Park publikumsorientiert aufgebaut. Die Klassik-Stiftung möchte bei der Vermittlung ihrer Inhalte und Bewahrung der Objekte verständlicher werden: »Das Themenjahr ist ein Quantensprung«, so Lorenz. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr die Touristenströme, die Jahr für Jahr die Stadt erreichen. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen von Workshops und interaktiven Ausstellungsformaten profitieren.
Weimar hat im Bezug auf die Beschäftigung mit dem Klima Pionierfunktion. Den Begriff der »Klimatologie« hat Johann Gottfried Herder geprägt. Er beschäftigte sich in seinem unvollendeten Werk »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« (1784-1791) in einem Kapitel mit den Fragen: »Was ist Klima und welche Wirkung hat’s auf die Bildung des Menschen an Körper und Seele?« Klima ist für Herder die formende Naturkraft, die beständig auf unser Dasein einwirkt: »Nicht Hitze und Kälte ist’s allein, was aus der Luft auf uns einwirkt, vielmehr ist sie nach den neuern Bemerkungen ein großes Vorratshaus anderer Kräfte, die schädlich und günstig sich mit uns verbinden.«
Mitte April wird das Themenjahr »Neue Natur« begonnen. Dann soll in Weimar eine Wissens- und Verstehenstopografie nutzbar sein, die Parks und historische Stätten miteinander verbindet. Bisher wenig zugängliche Gebäude wie das Römische Haus, höfischer Gegenpol zu Goethes Gartenhaus, werden kostenfrei geöffnet. Dort wird in einer neuen Dauerausstellung der »Park an der Ilm als gewachsenes Gesamtkunstwerk« vorgestellt. Das Schillermuseum präsentiert unter dem provokanten Titel »Ich hasse die Natur« die Hauptausstellung des Themenjahres. Nach dem Zitat von Thomas Bernhard wird den harmonischen Parkmodellen ein starker Kontrast mit zeitgenössischer Kunst und Literatur entgegengesetzt: die Natur als mächtige, bedrohliche Kraft, die dem Menschen gefährlich wird.
Eine weitere Ausstellung widmet sich dem bisher wenig bekannten Werk des Malers Ludwig von Gleichen-Russwurm (1836-1901), der als erster deutscher impressionistischer Landschaftsmaler überregional bekannt gemacht werden soll.
Wie bereits erwähnt, bildet das »Grüne Labor« den Mittelpunkt aller Aktivitäten. Dazu entsteht neben der Ruine des Tempelherrenhauses ein temporärer kubischer Bau, dessen Material Bezug auf den Park nimmt. Das Weimarer Studio Boom lässt Hölzer, die aus dem Pflegekreislauf der Parkbäume stammen, zu Bauklötzen schneiden.
Mit dem Upcycling-Konzept wollen die jungen Architekten etwas Nachhaltiges schaffen, das auf Klimawandel und Stress durch Trockenheit hinweist. Über die Verbindung der Holzbausteine für den fünf Meter hohen Pavillon besteht noch Unklarheit. Im Modell sind Armierungseisen zu sehen, die wohl nicht zum Einsatz kommen. Im Bezug auf die Energiezufuhr zeigt sich das Projekt wenig innovativ. Die Versorgung erfolgt durch ein Stromkabel. Im Pavillon entsteht ein Vermittlungsraum für Stoffkreisläufe der Natur mit Medien- und Experimentierstationen. An den Wochenenden bewegt sich das »Grüne Labor« mit dem Lastenfahrrad durch die Stadt, um Interessierte anzusprechen.
Für das Themenjahr sind über drei Millionen Euro eingeplant. Die Klassik-Stiftung beteiligt sich mit »Neue Natur« als Satellit an der Bundesgartenschau, die im benachbarten Erfurt ab Ende April ihre Türen öffnet.
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