»Der Tod wird dich finden«

Geheimdienst der türkischen Militärgendarmerie soll hinter Morddrohungen gegen Oppositionelle stecken

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Gute Nacht, der Tod wird dich finden - Jitem«. Diese Drohung erhielt Sami Grigo Baydar am 9. Dezember per Mail. Der in Deutschland lebende Mann engagiert sich im Volksrat der Aramäer-Suryoye, einer sozialistischen Organisation, die in der Türkei und in Deutschland kriminalisiert wird. Zur Drohmail wurde Baydar auch ein Video gemailt, auf dem zu sehen ist, wie ein Leichnam an ein Auto gebunden durch die Straßen geschleift wird. Das ist eine Foltermethode, die die mit dem türkischen Regime verbündeten islamistischen Gruppen in kurdischen Gebieten, aber auch in den von ihnen kontrollierten Teilen Syriens, in letzter Zeit praktizieren.

Für Baydar ist die Mail besonders bedrohlich, weil es sich beim Jitem um den Geheimdienst der türkischen Militärgendarmerie handelt, der in den 1990er Jahren Tausende Menschen, vor allem Kurden, Aramäer und türkische Linke, folterte und ermordete. Der Accountname und das dazugehörige Profilbild sind eine Anspielung auf JITEM-Täter Mahmut Yıldırım. Unter dem Decknamen Grün war er in den 1990er Jahren an zahlreichen Morden an Oppositionellen in der Türkei beteiligt. Gefolgsleute von ihm wurden unter anderem in den Mordanschlag auf den Vorsitzenden des türkischen Menschenrechtsverein Akim Birdal im Mai 1998 verwickelt, den er schwer verletzt überlebte.

Daher nimmt Baydar diese Drohung sehr ernst. »Mir wurde eine Morddrohung in meinem Instagram-Account geschickt«, erklärte er gegenüber »nd«. Zudem erinnert er daran, dass eine linke Aramäerin, die in Hamburg Jura studierte, im Juni 2019 bei einer Reise zu ihren Verwandten in Istanbul verhaftet wurde und seitdem verschwunden ist (»nd« berichtete). Auch sie hatte sich im Volksrat der Aramäer-Suryoye engagiert.

Linke Organisationen wie die »Antifa-Jugend Augsburg« und das Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen« haben sich mit Sami Grigo Baydar solidarisiert. Inzwischen wurde bekannt, dass Personen, die sich mit kurdischen und türkischen Linken solidarisieren, ähnliche Drohmails erhalten haben. Alle Drohungen wurden vom Instagram-Account mit dem Profilnamen »Jitemci.turkeyy« abgeschickt. Zu den Empfängern gehört der deutsche Wissenschaftler Kerem Schamberger, der sich seit Jahren für die kurdische Linke engagiert und deswegen immer wieder Probleme mit der deutschen Justiz bekommen hat. Die alevitische Sängerin Pinar Aydinlar, die 2014 für die türkische Linkspartei HDP bei der Oberbürgermeisterwahl in Istanbul kandierte, bekam die Drohmail. Bedroht wurden die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft Cansu Özdemir und der Menschenrechtler Ferhat Tunc.

Linke türkische Organisationen erinnerten daran, dass es in der Vergangenheit immer wieder Morddrohungen und Anschläge der türkischen Organisation Graue Wölfe auch auf politische Aktivisten aus der Türkei, Kurdistan und Armenien in Deutschland und anderen europäischen Staaten gegeben hat. So ermordeten Mitglieder der faschistischen Organisation am 3. Januar 1980 in Westberlin den sozialistischen Lehrer Celalettin Kesim.

Trotzdem hatte die Führung der Grauen Wölfe jahrelang gute Beziehungen zu Teilen der Unionsparteien wie den langjährigen CSU-Politiker Franz Josef Strauß. In letzter Zeit wurde im Zuge der Verschlechterung der Beziehungen Deutschland-Türkei auch ein Verbot der mit dem Erdogan-Regime verbündeten Grauen Wölfe diskutiert. Anders als in Frankreich gab es keine Maßnahmen.

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