Gefestigte rechte Strukturen in Chemnitz

Chemnitz gilt als Nazi-Biotop, doch es regt sich Widerstand von Antifaschisten

  • Johannes Grunert
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Zuzug des Dortmunders Michael Brück macht Chemnitz nicht zum ersten Mal Schlagzeilen, wenn es um neonazistische Umtriebe geht. Dass er sich ausgerechnet Chemnitz aussucht, liegt nicht nur daran, dass die sächsische Stadt in der Szene schon lange als Biotop gilt. Dortmunder aus dem Umfeld der Partei »Die Rechte« und Chemnitzer von »Kaotic« und »NS Boys«, zwei rechten Fangruppen des Chemnitzer FC, verfügen seit Jahren über eine enge Verbindung. Nach gegenseitigen Besuchen ging die Freundschaft der Gruppen so weit, dass sogar zwei Chemnitzer nach Dortmund-Dorstfeld zogen.

Michael Brück taucht in Chemnitz in eine gefestigte rechte Szenestruktur ein, in der er durch seine Anstellung in der Rechtsanwaltskanzlei von Martin Kohlmann, dem Chef der extrem rechten Wählervereinigung »Pro Chemnitz«, eine zentrale Position einnimmt. »Pro Chemnitz« organisierte die rassistischen Großaufmärsche 2018 und gilt spätestens seitdem in der Neonazi-Szene als zentraler Akteur. Durch ihren Stadtrat Robert Andres, der auch der 2014 verbotenen Kameradschaft »Nationale Sozialisten Chemnitz« zugerechnet wird, verfügt die Gruppe über weitreichende Verbindungen in die neonazistische Kampfsportszene und zu einem Milieu, das sich um eine Reihe von Zeitzeugenveranstaltungen gebildet hat. Brück besuchte in den vergangen Wochen bereits mit anderen Chemnitzern Großdemonstrationen von »Querdenken« und ließ sich dort unter anderem mit dem Chemnitzer Rechtsrockproduzenten Yves Rahmel sehen, der über beste Kontakte zu »Blood & Honour« und den ehemaligen Unterstützungsstrukturen des NSU verfügt.

Chemnitz gilt ohnehin als Stadt, die immer wieder Neonazi-Kader zum Studieren und Arbeiten anlockt. Die meisten steigen in den örtlichen Strukturen schnell auf, wie etwa der ehemalige fränkische Kameradschafter Benedikt Kaiser, der heute beim neurechten Institut für Staatspolitik in Schnellroda arbeitet. Auch Robert Andres kam vor zehn Jahren erst in die Stadt und zählt heute zu den wichtigsten Figuren der Szene. 2016 versuchte eine Gruppe namens »Rechtes Plenum« unter der Führung auswärtiger Kader, aus einem Chemnitzer Stadtteil einen »Nazi-Kiez« zu machen, scheiterte aber schließlich an antifaschistischem und behördlichem Gegenwind. Dass sich mit Brücks Zuzug in Chemnitz nun ein neuer »Nazi-Kiez« bilden könnte, befürchteten vergangene Woche anonyme Aktivist*innen in einem Flyer, mit dem sie im Stadtteil Hilbersdorf über den Zuzug von Brück und einem weiteren Neonazi aus Dortmund informierten.

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In einem Interview mit der neonazistischen Siedler-Initiative »Zusammenrücken« behauptete Brück jedoch, dass ein »Nazi-Kiez«-Konzept in Chemnitz unangemessen sei: Da die Menschen »offen für rechte Positionen« seien, müsse man vielmehr »die Stadtteile durchsetzen«. Der 30-Jährige glaubt offenbar, als Neonazi-Kader käme man in Chemnitz in seiner Nachbarschaft ganz gut an.

Seit den Aufmärschen 2018 hat sich allerdings ein großes Netzwerk antirassistischer Initiativen gebildet, das in nahezu allen Stadtteilen aktiv ist. In diesem Netzwerk ist auch das Bündnis Chemnitz Nazifrei aktiv. Die Sprecherin Momo Simon äußerte sich auf Nachfrage entschlossen: »Die Dortmunder Nazis erhoffen sich hier einen geringeren Widerstand aus der Zivilgesellschaft. Wir werden ihnen diese Hoffnung nehmen und ihnen ihre Wohlfühlatmosphäre entziehen. Wir werden sie im Blick haben. Wir werden intervenieren.«

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