Mexiko setzt Agenten Grenzen
Neues Gesetz verlangt Akkreditierung ausländischer Emissäre und versagt diplomatische Immunität
Mexiko muckt auf. Das zeigt die Reaktion des gerade zurückgetretenen US-Justizministers William Barr: «Das Gesetz wird die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern erschweren.» Gemeint ist die Kooperation der Geheimdienste und Sicherheitskräfte. Die lief reibungslos. Bis die USA ohne Vorwarnung den pensionierten mexikanischen General Salvador Cienfuegos am 15. Oktober auf dem Flughafen von Los Angeles festnahmen. Laut den Ermittlungen der US-Drogenbehörde DEA ist Cienfuegos «El Padrino», der Pate. Cienfuegos ist zwar inzwischen wieder frei und in Mexiko zurück, ohne dass die Vorwürfe entkräftet worden wären, aber Mexikos Parlamentarier sind trotzdem in die Offensive gegangen. Zwei Monate nach der Festnahme schränkte der mexikanische Kongress die Rechte von ausländischen Agenten stark ein.
Den 15. Dezember dürfte sich nicht nur Mexikos hochdekorierter General und Ex-Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos rot im Kalender notiert haben, sondern auch die im Land aktiven Agenten von CIA, FBI und DEA. Die drei im Verborgenen agierenden US-Geheim- beziehungsweise Drogenbekämpfungsdienste dürfen laut der Abgeordneten fortan etliches nicht mehr machen, was in der Vergangenheit quasi normal war: Waffen tragen und Leute festnehmen zum Beispiel. Das ist mit der Reform des Gesetzes zur nationalen Sicherheit nicht mehr drin, das von den Abgeordneten mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. 329 der Abgeordneten stimmten für, 98 gegen das Gesetz. Den Senat hatte das Gesetz, welches Mexikos Präsident Andrés Miguel López Obrador befürwortet, bereits zuvor passiert.
Cienfuegos, der 72-jährige Militär, der während der Regierung von Enrique Peña Nieto (2012-2018) das Verteidigungsministerium leitete, war direkt in die Bekämpfung der Kartelle involviert. Doch er soll mit denen paktiert haben, die er bekämpfen sollte. Dabei geht es in erster Linie um das Kartell H-2, für das Cienfuegos aktiv gewesen sein soll. Das Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn legte ihm Geldwäsche, Schmuggel von Heroin, Kokain, Amphetaminen und Marihuana ab Ende 2015 bis Anfang 2017 zur Last. Parallel dazu belegen Militärstatistiken, dass sich die Armeeaktionen in diesem Zeitraum gegen zwei konkurrierende Kartelle, das Sinaloa-Kartell und das Jalisco Kartell Neue Generation richteten.
Das Kartell H-2 hatte in dieser Zeit kaum Verluste durch Beschlagnahmungen oder Verhaftungen zu verzeichnen. Purer Zufall? Eher nicht, so die DEA, die etliche tausend Telefonmitschnitte ausgewertet hat und die mexikanischen Behörden nicht über den großen Fang auf dem Flugplatz von Los Angeles informierte, denn man befürchtete eine undichte Stelle auf mexikanischer Seite.
«Die mexikanische Regierung nutzte ihre diplomatischen Beziehungen und die Freundschaft zwischen Donald Trump und Andrés Manuel López Obrador, um den General aus der Haft zu bekommen», kritisiert die mexikanische Journalistin Anabel Hernández. Es ging nicht darum, dass der General unschuldig ist, die Beweise wurden nicht entkräftet, sondern der eine Präsident hat dem anderen eine Gefälligkeit erwiesen«, meint Hernández. Ihre Version bestätigen die Recherchen der »New York Times«, die darauf hinwies, dass es hinter den Kulissen enormen Druck vonseiten Mexikos gegeben habe. So soll die mexikanische Seite gedroht haben, die Zusammenarbeit im Drogensektor einzustellen und DEA-Agenten auszuweisen. Daraufhin kam der General frei.
Zukünftig kann so etwas allerdings nicht noch einmal passieren, denn mit dem neuen Gesetz müssen sich Geheimagenten akkreditieren lassen, dürfen nur mit Genehmigung der mexikanischen Kollegen Waffen tragen und keine Festnahmen auf mexikanischem Territorium durchführen. Zudem müssen sie Erkenntnisse an die mexikanischen Kollegen weiterreichen und verlieren die diplomatische Immunität.
All das könnte die geheimdienstliche Arbeit der USA in Mexiko paralysieren, so Ex-Justizminister Barr. Kritiker der Regierung in Mexiko-Stadt wie Anabel Hernández befürchten, dass das beabsichtigt ist. So könnte das Netzwerk zwischen Politik, Militär und Kartellen noch enger werden.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!