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  • Nach Grenzschließung wegen Corona-Mutation

»Wir wollen nach Hause«: Tausende Lkw-Fahrer in England frustriert

Auch Hunderte Fahrer aus Deutschland stecken im Stau

  • Lesedauer: 4 Min.

Dover. In England liegen die Nerven bei Tausenden Lastwagenfahrern blank. Mit Hupkonzerten haben die Trucker am Hafen von Dover ihrem Ärger Luft gemacht. »Wir wollen nach Hause«, schrien sie. Eine kleine Gruppe geriet mit Polizisten aneinander, die den Zugang zum Hafen absperrten. Es kam zum Handgemenge, ein Mann wurde festgenommen.

Seit Tagen haben die Fahrer ausgeharrt. In der Nacht zum Mittwoch öffnete Frankreich nach zwei Tagen zwar wieder die Grenze für Lastwagen aus Großbritannien - doch für die Einreise ist nun ein negativer Corona-Test vorgeschrieben.

In der nordfranzösischen Hafenstadt Calais verließen am Mittwoch zwar einige Autos Fähren aus Großbritannien, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Es seien auch Lastwagenanhänger angekommen, aber keine kompletten Sattelzüge - denn ohne Corona-Test könnten Fahrer nicht an Bord kommen.

»Es wird einige Tage dauern, bis der Rückstau behoben ist«, räumte der britische Bauminister Robert Jenrick ein. Er vertrat die Regierung am Morgen in den Frühstückssendungen der Fernsehsender - eine undankbare Aufgabe. Das Verkehrsministerium sprach am Vormittag von mehr als 5000 Fahrzeugen, die sich in der Grafschaft Kent knubbelten. Der britische Spediteursverband RHA schätzte, dass es sogar bis zu doppelt so viel sein könnten.

Das Hauptaugenmerk lag auf dem still gelegten Flugplatz Manston gut 30 Kilometer nördlich von Dover. Allein hierhin wurden etwa 3000 Lastwagen umgeleitet. Wie Tetris-Klötze sortiert standen sie auf der Startbahn. Der Bundesverband Spedition und Logistik teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, er gehe von 300 bis 400 Betroffenen aus Deutschland aus.

Der deutsche Botschafter Andreas Michaelis twitterte, es sei kein Durchkommen nach Manston gewesen. Er habe nur mit einigen deutschen Brummi-Fahrern telefonieren können. »Weiterhin sehr schwierige Situation für sie«, schrieb Michaelis. RHA-Chef Richard Burnett warnte: »Hunderte Fahrer laufen Gefahr, nicht rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause zu sein.« In Manston baute die britische Armee das größte Testzentrum auf.

Die Fahrer sollen einen Schnelltest erhalten, erklärte Minister Jenrick das Prozedere. Wer negativ getestet wird, darf zum Hafen und mit der Fähre übersetzen. Bei einem positiven Schnelltest soll ein ausführlicherer PCR-Test das Ergebnis überprüfen. Fällt auch dieser positiv aus, wird der Fahrer von den britischen Behörden in einem »covid-sicheren« Hotel untergebracht. Auch in Dover wurde direkt am Hafen ein Testzentrum eingerichtet.

Frankreichs Beigeordneter Minister für Verkehr, Jean-Baptiste Djebbari, twitterte an die Adresse der Wartenden: »Wir arbeiten hart daran, dass so viele von Ihnen wie möglich nach Hause kommen können, um die Weihnachtsferien mit ihrer Familie zu verbringen.« Frankreich hatte wegen der rasanten Ausbreitung der neuen Coronavirus-Variante die Grenzen zu Großbritannien auch für den Warenverkehr geschlossen.

Die Züge durch den Eurotunnel nahmen den Betrieb bereits in der Nacht wieder auf. Auch die Niederlande lassen wieder Reisende aus Großbritannien ins Land. Seit Mitternacht sei die Einreise wieder erlaubt, teilte die Regierung in Den Haag mit. Passagiere müssen allerdings einen negativen Corona-Test vorweisen. Fluggesellschaften und Reeder sind verpflichtet, dies zu kontrollieren. Norwegen verlängerte hingegen das Verbot für Direktflüge aus Großbritannien bis einschließlich dem 26. Dezember.

RHA-Chef Burnett betonte, dass auch der Einsatz von Schnelltests für erhebliche Verzögerungen in der Lieferkette sorgen würde. Zudem warnte Burnett vor Gesundheitsrisiken. Zahlreiche Fahrer hätten noch immer keinen Zugang zu Sanitäranlagen. Zudem seien logistische Fragen ungeklärt, etwa die Reinigung von Fahrerkabinen bei positiv Getesteten. Um den Rückstau schneller aufzulösen, lockerte Verkehrsminister Grant Shapps erneut die Ruhezeiten: Lkw-Fahrer dürfen nun elf statt neun Stunden am Steuer sitzen.

Wegen der Grenzschließungen besteht die Sorge, dass in Großbritannien bestimmte frische Lebensmittel wie Salat oder Blumenkohl spätestens nach Weihnachten knapp werden könnten. »Bis der Rückstau beseitigt ist und sich die Lieferketten wieder normalisieren, erwarten wir Probleme mit der Verfügbarkeit einiger frischer Waren«, sagte Andrew Opie, der beim Handelsverband BRC für Lebensmittel zuständig ist. Die Regierung rief dazu auf, auf Hamsterkäufe zu verzichten. Supermarktketten betonten, alle Waren seien vorrätig. Dennoch waren in einigen Läden die Gemüseregale leer gekauft.

Sorgen bereitet aber auch die Ausfuhr. Handelsverbände schätzen, dass Ware im Millionenwert wegen der Warterei verloren ist. »Für diejenigen, die frische und verderbliche Waren exportieren, vor allem Meeresfrüchte und Lachs aus Schottland, waren es katastrophale Tage«, sagte David Thomson, Chef des Verbands der Lebensmittel- und Getränkehersteller FDF in Schottland, der BBC. »Das wird für diese Unternehmen ein schwarzes Weihnachten sein.« Agenturen/nd

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