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Die Rückkehr der Nachtzüge
Nach dem früheren Kahlschlag will die Deutsche Bahn das Angebot im Bündnis mit anderen Staaten verbessern
Während Corona-Pandemie, Wirtschaftskrise und Klimakatastrophe dunkle Schatten warfen, waren der angeschlagene Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und die Spitzen der Deutschen Bahn (DB) in der dunklen Jahreszeit um eine frohe Botschaft bemüht. So verkündeten sie kurz vor Weihnachten, dass die staatlichen Bahngesellschaften von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich wieder gemeinsame Nachtzüge durch den Kontinent aufs Gleis bringen wollen.
Konkret sollen bereits ab diesem Jahr schrittweise Direktverbindungen zwischen Wien und Paris, Zürich und Amsterdam, Berlin und Paris sowie Zürich und Barcelona eingerichtet werden. Ziel ist, bis 2024 sogar 13 europäische Metropolen über bequeme Nachtzüge miteinander zu verbinden. CSU-Mann Scheuer schwärmt bereits von einer »goldenen Nach-Corona-Ära im europäischen Schienenverkehr« und will zudem den alten Trans-Europa-Express (TEE) in Form moderner Hochgeschwindigkeitszüge quer durch den Kontinent wieder beleben. So sind ebenfalls durchgehende Zugverbindungen zwischen Amsterdam und Rom, Paris und Warschau oder Berlin und Barcelona angedacht. Damit leiste man »aktiven Klimaschutz und einen wirksamen Beitrag zur CO2-Reduktion«, so Scheuer.
Laut DB-Chef Richard Lutz sind die Kunden zunehmend an Reisen über Nacht interessiert. Gerade im grenzüberschreitenden Verkehr könne der Nachtzug sein Potenzial »als überaus grüne und stressfreie Alternative zu Flugzeug und Auto« ausspielen.
Mit den Ankündigungen zeichnet sich eine Rückbesinnung auf Angebote ab, die jahrzehntelang funktionierten und dann aus Kostengründen gestrichen wurden. So hatte die DB erst 2016 alle Nacht- und Autoreisezugverbindungen vom Gleis genommen - in Abstimmung mit dem Bund und zum Ärger vieler Bahnkunden. Ein Teil der Angebote wurde immerhin von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und der US-Bahngesellschaft RDC weiter betrieben. Weil in Ländern wie Frankreich über die Jahre ein ähnlicher Kahlschlag erfolgte, stiegen auch viele treue Bahnfahrer auf das Auto oder den Flieger um. Billigairlines, die auch dank üppiger staatlicher Subventionen und Lohndumping boomten, eroberten zunehmend Marktanteile.
Die von Scheuer und Lutz jetzt großspurig angekündigten durchgehenden Zugverbindungen sind die Wiederauflage eines kleinen Teils alter transkontinentaler Relationen. Ein Blick in alte Kursbücher von Bundesbahn (West) und Reichsbahn (Ost) zeigt, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgehende Tages- und Nachtzüge von der BRD und der DDR aus in alle Himmelsrichtungen rollten. Es gab umstiegsfreie Verbindungen bis nach Süditalien, nach Portbou an der Costa Brava oder durch den Balkan bis Athen und Istanbul.
Mit der von der EU-Kommission seit den 1990er Jahren vorgegebenen Politik der Privatisierung und Liberalisierung des Eisenbahnwesens wurde dann jedoch die jahrzehntelang gut funktionierende Kooperation der alten Staatsbahnen zunehmend ausgebremst. Bahnmanager und Regierungen sahen in den Bahngesellschaften anderer Länder Konkurrenten und starteten Projekte für eigenwirtschaftlichen Verkehr zulasten anderer Bahnen. Hohe Trassenpreise für die Benutzung der Strecken schreckten zusätzlich ab. Lachender Dritter bei diesem »intramodalen« Verdrängungswettbewerb zwischen staatlichen, teilprivatisierten oder privaten Bahngesellschaften waren die Verkehrsträger Straße und Flugzeug.
Die Chancen, die sich für den europaweiten Personen- und Güterverkehr durch neue zeitsparende Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken etwa in Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Italien und England boten, wurden nur zu einem geringen Teil genutzt. So besteht seit Jahren nur eine einzige tägliche Direktverbindung mit dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV von Deutschland an die französische Mittelmeerküste. Technisch längst mögliche schnelle Direktverbindungen von Deutschland nach Spanien oder durch den Kanaltunnel nach Großbritannien sind nicht in Sicht. Dabei waren in den 1990er Jahren konkrete Projekte für Nachtzüge von Frankfurt (Main) nach London und weiterführende Kurswagenverbindungen bis Wales und Schottland schon sehr weit gediehen, doch realisiert wurden sie nie. Dafür erlebte der Flugverkehr einen Boom - bis zur Coronakrise.
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