Neuer Prozessraum im alten Schlosserhof
Verfahren gegen bis zu zehn Delinquenten gestattet der neue Sicherheitssaal des Kriminalgerichts
Berlins Strafgerichten fehlt es an ausreichend Räumlichkeiten, um die wachsende Zahl an Strafverfahren bewältigen zu können. Besonders groß ist der Bedarf an geeigneten Gerichtssälen, in denen notwendige strenge Sicherheitsvorkehrungen für alle Prozessbeteiligten gewährleistet werden können. Einen Neubau erwartet man hinter den ehrfurchteinflößenden Mauern des 1906 eröffneten Berliner Kriminalgerichts im Campus Moabit an der Turmstraße gewiss nicht.
Der neue Sicherheitssaal, der jetzt nach reichlich zweijähriger Bauzeit zu Jahresbeginn fertiggestellt wurde, verbirgt sich recht unspektakulär hinter der Tür mit der Nummer 142 im Erdgeschoss des Hauptgebäudes. Er wurde auf einem Innenhof des Gerichtskomplexes, dem früheren Schlosserhof, errichtet. Untersuchungsgefangene können wie bisher über die unterirdischen Gänge aus der benachbarten Justizvollzugsanstalt Moabit zur Verhandlung gebracht werden. Noch sind einige Nacharbeiten zu erledigen. Doch an diesem Mittwoch findet bereits die erste Hauptverhandlung in dem neuen Saal statt.
Es war, wie Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Dienstag bei einem kurzfristig einberufenen Vor-Ort-Termin erinnerte, auch ein recht kompliziertes Unterfangen, in dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex einen geeigneten Ort zu finden, um einen zusätzlichen Gerichtssaal nach hohen, modernen Sicherheits- und Kommunikationsstandards unterzubringen. Es habe denn auch ein wenig länger als zunächst gedacht gedauert. Rund vier Jahre seien seit Beginn der Planungen vergangen. Dafür und für den Bau seien insgesamt rund 5,3 Millionen Euro aufgebracht worden. Die Mittel stammten aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (Siwana). Die Bauausführung lag in den Händen der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH.
Nun sei der Bau nahezu fertig und man könne den Saal ab sofort nutzen. »Entstanden ist ein schöner und funktionaler Bau, der sich elegant in die bestehende Bausubstanz einfügt«, sagte Behrendt. Die Fertigstellung sei ein »erfreuliches Ereignis«. Dies nicht zuletzt auch, weil das Gericht bisher die Urania als Provisorium für große Verhandlungen nutzen musste. Der Justizsenator betonte, dass die Anmietung von externen Räumlichkeiten problematisch ist. »Dies hat erhebliche Sicherheitserfordernisse mit sich gebracht, da sich die Bewachung durch die Polizei dort in ganz anderem Maße als im Kriminalgericht erforderlich gemacht hat«, so der Justizsenator.
Der Saal 142 schließt Beratungszimmer und Räume für Zeugen ein. Er ist nach Angaben des Gerichts rund 210 Quadratmeter groß. Alles ist modern, kühl und sachlich gestaltet. Am auffälligsten sind die zehn Glasboxen für Angeklagte, die Gerichtssprecherin Lisa Jani präsentierte. Sie ermöglichen es, dass gegen zehn Untersuchungsgefangene gleichzeitig verhandelt werden könne, die voneinander und von den übrigen Anwesenden durch Sicherheitsglasscheiben getrennt sind. Dies gestatte auch Verhandlungen unter Beachtung der Corona-Bestimmungen. Auf 32 Plätzen könnten Verteidiger Platz nehmen - sie sind zum einen über Wechselsprechanlagen mit ihren Klienten verbunden, können mit ihnen aber auch über eine Aussparung in der Glasbox diskret direkt kommunizieren. Der Saal sei barrierefrei, so die Gerichtssprecherin. Und er hat aus Sicherheitsgründen keine Fenster. Vorgesehen seien überdies separate Eingangskontrollen.
»Wie Sie vielleicht wissen, sind Säle und auch sonstige Räume im Kriminalgericht äußerst knapp«, erklärte der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten, Hans-Michael Borgas. Er ist im Kriminalgericht der Hausherr. »Als Amtsgerichtspräsident freue ich mich sehr, dass wir mit diesem Saal gerade in Zeiten von Corona eine weitere Option gewonnen haben, um hier große Verfahren sowohl unter Sicherheits- als auch unter kommunikationstechnischen Bedingungen gut durchführen zu können.« Hauptnutzer des neuen »Schlosserhofsaals« würden künftig allerdings vor allem das Landgericht und das Kammergericht sein. »Wir sind hier als Amtsgericht für die Sicherheit verantwortlich, und es ist so, dass wir das hier in diesem Bereich entsprechend umsetzen können«, so Borgas.
Ab Mittwoch wird die 24. Strafkammer dort den Prozess gegen sieben Angeklagte fortsetzen, die bei einem Einbruch in die Asservatenstelle des Hauptzollamtes Berlin 5,2 Millionen beschlagnahmte Zigaretten und acht Tonnen Wasserpfeifentabak gestohlen haben sollen. Der erste Prozesstag im Dezember war noch vor Verlesung der Anklage zu Ende gegangen. Verteidiger hatten bemängelt, dass die Corona-Abstandsregelungen im Gerichtssaal nicht einzuhalten seien.
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