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Kein normales Schuljahr
Linke-Bildungspolitiker fordern grundsätzliche Antworten auf Coronakrise
Manchmal hilft nur Sarkasmus. »Morgens 10 Uhr in Deutschland: LernSax lädt nicht«, schimpften entnervte Eltern am Mittwoch in sozialen Medien über die Lernplattform, die Sachsens Schülern im Lockdown das digitale Lernen ermöglichen soll. Dem Anspruch wird sie oft nicht gerecht. Im Dezember sorgte ein Cyberangriff tagelang für Sendepause. Jetzt geht der Ärger weiter. Das Kultusministerium räumte technische Schwierigkeiten ein; Kapazitätsengpässe gebe es gleichwohl nicht. Im Netz wird dennoch gefrotzelt, die beste Zeit zum Lernen sei von 23 bis 9 Uhr.
Eine entscheidende Ressource für Schüler im Freistaat wird »LernSax« dennoch auf absehbare Zeit bleiben. Wegen der hohen Zahl an Infektionen bleiben die Schulen zu, die »häusliche Lernzeit« dauert - außer für Abschlussklassen - bis Ende Januar. Dann folgt der einwöchige Teil 1 der Winterferien. Zeitweise war in der Regierung deren komplette Streichung erwogen worden. Proteste von Verbänden sowie Widerstand in der Koalition aus CDU, Grünen und SPD verhinderte das. Teil 2 der Ferien soll zu Ostern nachgeholt werden. Zuvor soll ab 8. Februar in den Schulen ein »eingeschränkter Regelbetrieb« aufgenommen werden: getrennte Klassen und Gruppen in Grundschule und Hort; geteilte Klassen und Wechsel von Präsenzunterricht und Homeschooling ab Klasse 5. Voraussetzung: Die Infektionslage lässt das zu.
Und wenn nicht? Dann flammt die Debatte über »Schule auf« oder »Schule zu« erneut auf - die der Lage freilich nicht gerecht wird, meinen linke Bildungspolitiker aus Bund und Ländern in einem Papier, das jetzt veröffentlicht wurde und zu grundsätzlicherem Nachdenken über Schule und Bildung unter den Bedingungen der Pandemie aufruft. Die Zeit seit der ersten Welle, so wird beklagt, sei jedenfalls nicht genutzt worden, um einen »Plan B« für das Schulsystem vorzulegen. Nun, da erneut ein harter Lockdown gilt, sei es »fünf nach zwölf« - wofür nicht nur die Probleme bei der Lernplattform in Sachsen eindrücklicher Beleg sind.
Das Papier konstatiert, dass das laufende Schuljahr »definitiv kein normales« sei, und fordert zunächst, den »Prüfungsdruck« zu mindern. Auch in Zeiten von Corona sei es wichtig, möglichst viel zu lernen, es sei aber »nicht wichtig, möglichst viel zu prüfen«. Es gebe andere Möglichkeiten, Zeugnisse zu erstellen und Noten zu vergeben, etwa mit Belegarbeiten, sagt Luise Neuhaus-Wartenberg, Abgeordnete im sächsischen Landtag und Mitautorin des Papiers. Dafür solle die Lage in einzelnen Schulen berücksichtigt werden: »Manche sind voll digitalisiert und können unterrichten, als wäre alles normal; andere müssen improvisieren.«
Stärker als um Noten und eine Vergleichbarkeit von Zeugnissen sorgen sich die Bildungspolitiker um Folgen der Schulschließung für das soziale Leben der Kinder. Für sie sei Schule ein »elementarer Lebensraum«; fehle er, leide auch das soziale Miteinander. Gefordert wird daher für Schüler die Möglichkeit, sich auch unter aktuell schwierigen Bedingungen »in kleinen Gruppen und unter Wahrung aller Vorsichtsmaßnahmen« in der Schule treffen zu können. Neuhaus-Wartenberg verweist auf offene Kirchen: »Auch dort ist man willkommen, wenn das Not tut.« Bisher dürfen Kinder nur im Rahmen der Notbetreuung in die Schule - wofür indes die Berufstätigkeit der Eltern den Ausschlag gibt.
Neben Bedürfnissen der Wirtschaft sollen in der Debatte aber stärker jene der Kinder berücksichtigt werden, fordert das Papier. So sollten bei teilweiser Wiederaufnahme des Unterrichts zuerst jene Kinder in die Schulen zurückkehren können, die zu Hause ungünstige Lernbedingungen haben, etwa weil digitale Technik fehlt. Der Fokus müsse »auf die Schwächsten« gerichtet werden, heißt es. Ähnliches fordert aktuell die Diakonie Sachsen. Sie wies darauf hin, dass Kinder in problematischen Familiensituationen jetzt nicht die Möglichkeit haben, in den öffentlichen Raum auszuweichen, und fordert eine Art Notbetreuung auch in Jugendhäusern. Generell sei derzeit das »Recht von Kindern und jungen Menschen« auf soziale Beziehungen, Nähe und Kontakt »völlig aus dem Blick der politisch Verantwortlichen« geraten.
Viele der Vorschläge setzen indes voraus, dass sich die Infektionslage nicht weiter verschlechtert, etwa durch ein Überspringen der mutierten Virusvariante aus Großbritannien, für die Kinder womöglich weit empfänglicher sind. Dann, sagt Neuhaus-Wartenberg, »gibt es bis Juni keinen regulären Schulbetrieb mehr«. Die Frage, ob das Schuljahr dann komplett wiederholt werden müsse - mit allen weitreichenden Konsequenzen -, dürfe »nicht mehr tabu sein«, sagt sie.
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