- Politik
- Stéphane Ravacley
Hungernder Bäcker
Der Bäcker Stéphane Ravacley tritt in den Hungerstreik
Am Mittwoch, dem 6. Januar, war Stéphane Ravacley aus der kleinen Rue Rivotte auf allen Bildschirmen Frankreichs zu sehen.
Der Bäckermeister sah dabei aus, wie ein Bäckermeister auszusehen hat: wenig Haare auf dem Kopf, dafür viele an den Armen. Ein matter Blick, der denen eigen ist, die vor allen anderen wach sind, darunter schmale Lippen. In den letzten drei Tagen hat er nach eigenen Aussagen mehr als 50 Interviews gegeben. In der kleinen Bäckerei »La Hûche à Pain« in Besancon in Ostfrankreich klingelt das Telefon seit Tagen beständig. Der 50-Jährige muss die gleiche Geschichte wieder und wieder erzählen. Er, der Bäckermeister, hat seit sechs Tagen nichts gegessen. Er befindet sich im Hungerstreik. Sein 18-jähriger Azubi war als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Frankreich gekommen. Inzwischen ist Laye Fodé Traor volljährig und muss, wenn es nach den französischen Behörden geht, in seine westafrikanische Heimat Guinea zurückkehren. Gegen seinen Willen und den seines Bäckermeisters.
Sein Arzt hatte von einem Hungerstreik abgeraten, er sei »in schlechter Verfassung«, sagte der Bäckermeister, der von drei Lungenembolien in den vergangenen drei Jahren erzählt. »Aber das ist mir jetzt egal«, meint der Bäcker und beteuert: »Ich werde nicht aufhören, bis ich etwas erreicht habe.« Als der Moderator von C8, einem der größten TV-Sender Frankreichs, ihn fragt, warum er das Mittel des Hungerstreiks wählt, stellt Ravacley eine Gegenfrage: »Wäre ich hier, wenn ich das nicht gemacht hätte?«
Die Geschichte von Ravacley geht um die Welt. Medien von Guinea bis Chile verbreiten die Story vom Bäckermeister und seinem Lehrling. Sie ist so faszinierend, weil sie zwei Dinge erzählt: dass der Zufall, in welchem Land jemand geboren ist, alles bestimmt, und dass diese Geburtslotterie eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Und dass die meisten Menschen das hinnehmen, solange sie zufällig den richtigen Pass in der Tasche haben. Nicht so Ravacley. Der kämpft mit allen Mitteln um seinen Azubi.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.