- Politik
- Elternschaft
Zwei Mütter im Leben, eine auf Papier
Ein lesbisches Paar streitet vor Gericht für die Anerkennung der gleichberechtigten Elternschaft
Gesa C. Teichert-Akkermann und Verena Akkermann haben sich gemeinsam für ein Kind entschieden und sind nun dessen gemeinsame Eltern – praktisch gesehen. Am Mittwoch kämpfen sie vor dem Oberlandesgericht Celle dafür, dass dies auch rechtliche Realität wird. Denn in der Geburtsurkunde ihrer Tochter ist nur die leibliche Mutter Teichert-Akkermann eingetragen. »Paula lebt damit offiziell in einer Ein-Eltern-Familie«, erzählt Verena Akkermann im Gespräch mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die den Prozess strategisch unterstützt.
Ist ein Hetero-Paar verheiratet, wird der Ehemann automatisch als Vater des Kindes eingetragen – unabhängig davon, ob er der biologische Vater ist. Sind die Eltern eines Kindes nicht verheiratet, kann ein Mann die Vaterschaft notariell anerkennen lassen oder sie kann gerichtlich festgestellt werden. Akkermann hat ihre Elternschaft ebenfalls vor der Geburt des Kindes notariell beurkunden lassen. Trotzdem steht sie nicht in der Geburtsurkunde. Und damit ist sie nicht alleine.
2019 gab es rund 11 000 gleichgeschlechtliche Elternpaare in Deutschland. Doch Standesämter und Gerichte verweigern die Eintragung des zweiten Elternteils, wenn dieser kein Mann ist - sondern weiblich, divers oder nichtbinär. Auch trans Männer werden nicht immer rechtlich als Elternteil anerkannt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht darin eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, eine Verletzung des Grundgesetzes. Auch Maria Wersig, Präsidentin des Juristinnenbundes bezeichnet diese Rechtslage als diskriminierend: »Sie beeinträchtigt die Betroffenen massiv in ihrem Familienleben und entspricht nicht dem Kindeswohl«, sagt sie gegenüber »nd«. Eine Reform des Abstammungsrechts sei längst überfällig.
Nach den geltenden Gesetzen müsste Akkermann ihr Kind als »Stiefkind« adoptieren. In einem Adoptionsverfahren überprüfen Gericht und Jugendamt unter anderem die Bindung zum Kind, die Vermögenssituation und den Gesundheitszustand der Ehepartner*in, die das Kind adoptieren möchte, das kann monate- oder jahrelang dauern. Wersig gibt zu bedenken: »Stirbt die rechtliche Mutter während des laufenden Verfahrens, bleiben die Mit-Mutter und das Kind rechtlich unverbunden zurück.« Und entscheidet sich der zweite Elternteil in dieser Zeit doch gegen die Adoption, hat das Kind keinerlei Unterhaltsansprüche. Verena Akkermann sagt im Interview mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte: »Paula muss nicht adoptiert werden, denn sie hat mich und Gesa als ihre Mütter.«
Unter dem Hashtag #PaulaHatZweiMamas gab es am Mittwoch in dem Kurznachrichtendienst Twitter viel Unterstützung für die Familie. Die Autorin Magda Albrecht schrieb: »Das Abstammungsrecht darf queere Familien nicht mehr diskriminieren - gleiche Rechte für alle Familien!«
Auch die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws schrieb auf Twitter: »Heute zählts OLG Celle! Fam. Akkermann kämpft darum, dass ihre Tochter beide Mütter anerkannt bekommt. Anerkennung der Co-Mutter ohne Stiefkindadoption und Diskriminierung. Ich unterstütze mit politischer Kraft!!«
Im Sommer 2020 hat sich »nodoption« gegründet, eine deutschlandweite Initiative betroffener Familien, die mittels der strategischen Prozessführung vor Gericht ziehen, um das Abstammungsrecht zu ändern. »Wir verweigern die Stiefkindadoption, wo es keine Stiefkinder gibt«, heißt es auf der Website. Der Bundesgerichtshof hatte 2018 entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen zur Vaterschaftsanerkennung nicht analog auf eine Ehe zweier Frauen anwendbar sei. Die Initiative sieht daher keine großen Erfolgsaussichten für einzelne Verfahren. Möglich ist es dennoch, dass einzelne Familiengerichte von der Rechtssprechung des BGHs abweichen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte begleitet neben Teichert-Akkermann und Akkermann noch ein anderes Paar. Im Zweifel auch bis vor das Bundesverfassungsgericht. Das Urteil des Oberlandesgerichtes wird in den kommenden Wochen erwartet.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.