Berliner Linke will »richtig rotes Rathaus« erobern

Klaus Lederer stimmt Partei auf Superwahljahr und Bekämpfung der sozialen Folgen der Coronakrise ein

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Angesichts der drastischen Auswirkungen der Coronakrise scheint der Wahlkampf im Herbst in weiter Ferne zu liegen. »Es fällt mir schwer, mich auf den September und den Wahlkampf zu konzentrieren«, sagte der designierte Spitzenkandidat der Berliner Linken für die Abgeordnetenhauswahl 2021, Klaus Lederer, am Samstag zum Auftakt des digitalen Landesparteitags. Der Vizesenatschef und Kultursenator der rot-rot-grünen Koalition sprach aus einem neu aufgebauten Fernsehstudio in der Parteizentrale in Mitte zu den 159 Delegierten, die sich an dem digitalen Parteitag beteiligten. Am Ende, so Lederer, sind die Themen Regieren in der Pandemie, das Postkrisenmanagement und der bevorstehende Wahlkampf gar nicht zu trennen. Schließlich hängt das alles zusammen - wie aktuell der soziale Zusammenhalt aus der Regierung organisiert wird und welche Entwicklung Berlin nach der Coronakrise nimmt. »Welche Antworten es gibt, wird davon abhängen, welches Gewicht die Linke hat.«

Aus dem »Wem gehört die Stadt?«, der Fragestellung der erfolgreichen Wahlkampagne 2016, bei der die Linke mit 15,6 Prozent ein gutes Ergebnis erzielte, soll die Frage »Wem gehört die Welt nach Corona?« folgen. »Eine der wichtigsten Funktionen der Linken besteht darin, darauf zu verweisen, dass die Krise nicht alle gleichermaßen trifft«, erklärte Lederer. Die Partei fordert daher höherer Hartz-IV-Regelsätze und neue Hilfsprogramme. »Die Linke will um das Gemeinwesen kämpfen«, so der designierte Spitzenkandidat. Dazu gehören für den Linken-Politiker auch das Vorantreiben des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen, das Lederer als »absolut sinnvoll« bezeichnete.

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Die Linke ist bisher die einzige der drei Regierungsparteien in Berlin, die aktiv das Volksbegehren unterstützt, das sich zum Ziel gesetzt hat, private Immobilienkonzerne mit jeweils mehr als 3000 Wohnungen im Bestand in Berlin gegen Entschädigung zu vergesellschaften. Als Beleg für eine neue soziale Stadtentwicklungspolitik verwies Lederer auf die Regulierung des Wohnungsmarktes: »Mit dem Mietendeckel haben wir gezeigt, dass wir es ernst meinen, gegen Wuchermieten vorzugehen.«

Scharf kritisierte der designierte Spitzenkandidat der Linken die Großspenden eines Immobilienunternehmers an die Berliner CDU. Eine Koalition mit FDP und CDU schloss Lederer kategorisch aus. Auch der eigene Koalitionspartner SPD mit seinem neuen Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh griff Lederer für »ihr Blinken Richtung CDU« direkt an. Man denke auch gar nicht daran, das seit 2016 bestehende eigenständige Stadtentwicklungsressort wieder abzutreten. Damit hatte die neue SPD-Spitze öffentlich in Interviews geliebäugelt. Doch für die linke Erzählung von der »solidarischen Stadt« ist die Besetzung dieses Ressorts strategisch bedeutsam, weil in diesem Bereich die Möglichkeiten eines Politikwechsels mit dem Mietendeckel und weiterer Maßnahmen deutlich wurden.

Lederer selbst sieht sich nach der Wahl unterdessen als der kommende Regierende Bürgermeister Berlins. In einem kurzen Einspielfilm auf dem Landesparteitag sprachen sich eine Reihe prominenter Unterstützer für Lederer aus, darunter unter anderem der Musiker Andrej Hermlin sowie der Manager des Fußball-Bundesligisten 1. FC Union Berlin, Oliver Ruhnert. »Ein richtig rotes Rathaus wäre gut für die Stadt«, erklärte Lederer.

»Wir setzen auf Sieg«, sagte die Landesvorsitzende Katina Schubert zu Beginn des Parteitags. Mit Klaus Lederer habe die Linke in Berlin einen der beliebtesten Politiker der Stadt vorzuweisen, so Schubert. »Er kann Regierender Bürgermeister!« Mit welchem Wahlprogramm die Sozialisten in den Wahlkampf ziehen wollen, ist unterdessen noch nicht festgelegt. Durch die Coronakrise wurde die Entwicklung des Programms verzögert. Gut möglich, dass die ursprüngliche Idee, sich vor allem für lebenswerte Kieze in Berlin einzusetzen - von Spandau über Mitte bis Müggelheim - zwar immer noch zentral ist, aber zunehmend von den Folgen der Coronakrise überschattet wird. Die Landesvorsitzende sprach sich deshalb für eine dreifache Strategie zur Bekämpfung der Krise aus: Zum Ersten solle die Gesellschaft krisenfester gemacht, zum Zweiten eine Impf- und Teststrategie entwickelt und zum Dritten eine soziale Garantie für Arbeitsplätze abgegeben werden. Die Berliner Linke will die Pandemie also »mit einem solidarischen Lockdown« bekämpfen.

Die Debatte und die Verabschiedung des Leitantrags »Berlin für alle« verzögerte sich am Samstagmittag aufgrund technischer Probleme – die teuer eingekaufte Firma hatte, so war aus Parteikreisen zu hören, eine Tonspur doppelt belegt, ein Fehler, der erst sehr spät entdeckt wurde.

Aufgrund der Schwierigkeiten lagen die Ergebnisse der Vorstandswahl erst am späten Samstagabend vor: Nahezu die gesamte Spitze des alten Vorstands wurde wiedergewählt. Mit starken 82 Prozent wurde die Landesvorsitzende Katina Schubert und ihre drei Stellvertreter*innen, Sandra Brunner (66 Prozent), Pascal Meiser (72 Prozent) und Tobias Schulze (63 Prozent) bestätigt. Auch der Landesgeschäftsführer Sebastian Koch wurde mit 75 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt. Nach 29 Jahren als Landesschatzmeisterin trat Sylvia Müller nicht erneut an, stattdessen kandidierte Anette Juckel, die mit 87 Prozent das beste Ergebnis der Führungsriege erzielte. Insgesamt umfasst der Vorstand der Linkspartei 20 Mitglieder. Weitere Termine im Wahljahr sind neben der Fertigstellung des Wahlprogramms die Listenaufstellungen, für die die Bezirke Vorschläge einreichen können. Endgültig gewählt werden sollen der Spitzenkandidat und die Listenkandidaten im April bei einer Landesmitgliederversammlung.

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