Polizeigewalt bei Gedenktag in Magdeburg

Video zeigt Übergriff bei Tag der Erinnerung an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Manchmal reicht eine kurze Sequenz, eine winzige Szene, um zu erkennen, zu welcher Brutalität die Polizei imstande ist. Eine solche Szene ereignete sich am Samstag in Magdeburg, und es ist wohl dem Zufall zu verdanken, dass eine Zeugin just in diesem Moment ihre Kamera auf das Geschehen richtete. Das auf Twitter gepostete Video wurde etliche Tausend Mal angeklickt. Es zeigt, wie ein Polizist eine Person mit voller Wucht gegen eine Hauswand schleudert. Der Aufprall ist so heftig, dass selbst die Wand Schaden nimmt.

Der Vorfall ereignete sich während des jährlichen Gedenkens an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Auch in diesem Jahr versuchten Neonazis, den Tag für ihre Zwecke zu missbrauchen. Nach Polizeiangaben nahmen bis zu 100 Rechtsradikale an einem sogenannten Trauermarsch teil, rund 500 Menschen demonstrierten dagegen. Der Einsatz sei «weitestgehend störungsfrei» verlaufen, es sei zu keinen Festnahmen oder Ingewahrsamnahmen gekommen, teilte die Polizeiinspektion Magdeburg mit.

Das erwähnte Video spricht jedoch eine andere Sprache. Nun schlägt der Vorfall in den Online-Netzwerken hohe Wellen. «Diese Gewalt ist inakzeptabel!», empörte sich die Linke-Landtagsabgeordnete Henriette Quade auf Twitter; das Bündnis Solidarisches Magdeburg kritisierte den Einsatz «auf das Schärfste». Innenminister Michael Richter (CDU) hat sich bislang nicht geäußert. Die Polizei Magdeburg teilte auf «nd»-Anfrage mit, es seien zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Ob es sich bei den Beschuldigten um Polizeibeamte handelt, ist unklar.

Auch andere Vorfälle sorgen für Unmut bei Teilnehmern der antifaschistischen Demo. So zeigt ein weiteres Video, wie Neonazis das antisemitische U-Bahn-Lied singen, das den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen kann. Obendrein soll es laut einer Mitteilung des Bündnisses zu Angriffen auf Journalisten gekommen sein, Gegendemonstranten sollen «mit Faustschlägen malträtiert» worden sein. Zugleich schätzt das Bündnis ein, es habe sich erneut gezeigt, dass der ›Aufmarsch‹, der früher zu den größten in Deutschland zählte, inzwischen bedeutungslos« sei. Umso erstaunlicher sei es, dass die Polizei erneut alles dafür getan habe, ihn zu ermöglichen.

In der Tat ist fraglich, warum die Neonazis in größerer Zahl durch die Stadt laufen durften, obwohl ihnen aufgrund der Corona-Beschränkungen eigentlich nur eine stationäre Kundgebung erlaubt worden war. Zuvor war aus dem gleichen Grund ein für Freitagabend geplanter antifaschistischer Aufzug nur als stationäre Versammlung gestattet worden, ein vom Versammlungsleiter gestellter Eilantrag war vom Verwaltungsgericht Magdeburg abgewiesen worden. Eine Polizeisprecherin sagte gegenüber »nd«, aufgrund der »dynamischen Lage« habe die Polizei ihr ursprüngliches Vorhaben, die Rechten in Kleingruppen zum Versammlungsort zu geleiten, nicht umsetzen können.

Die Linksfraktion will die Vorkommnisse in einer Sitzung des Innenausschusses am Donnerstag aufarbeiten. Einem sogenannten Selbstbefassungsantrag zufolge, der »nd« vorliegt, wird die Landesregierung gebeten, zu den Vorwürfen gegen die Polizei »vollumfänglich« Stellung zu nehmen und umfassend zum Einsatz Bericht zu erstatten.

Schon jetzt ist klar: Innenminister Richter als oberster Dienstherr der Polizei sieht sich bereits einen Monat nach Amtsübernahme von seinem entlassenen Vorgänger Holger Stahlknecht massivem politischen Druck ausgesetzt. Bereits zuvor hatte der neue Ressortchef für neuen Unmut in der Kenia-Koalition mit SPD und Grünen gesorgt.

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