Linke Lebensversicherung

Sozialisten wollen bei der Bundestagwahl fünf Direktmandate in Berlin holen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Umfragewerte für die Linke schwanken. Zwischen sechs und acht Prozent wurden die Sozialisten zuletzt auf Bundesebene gemessen. Bei lediglich sechs Prozent rückt die Fünf-Prozent-Hürde in eine bedenkliche Nähe. Bei der Bundestagswahl könnte es auch um die »Existenz« der Partei gehen, ist derzeit aus Parteikreisen zu hören. Öffentlich will solche Debatten indes niemand bestätigen. Dass es derzeit aber alles anderes als gut läuft, streitet auch keiner ab.

In der Coronakrise dringt die Linke trotz der augenscheinlichen Probleme im Gesundheitswesen viel zu wenig durch. »Manchmal ist es so, dass wir uns selber ein Bein stellen«, sagt Evrim Sommer, die 2017 über die Berliner Landesliste in den Bundestag einzog. Die Spandauer Abgeordnete glaubt, dass die Debatten über Großstadtpartei und urbane Milieus geschadet haben, weil die Linke »ihre Stammwähler« aus dem Arbeitermilieu links liegengelassen habe. Sommer selbst ist dagegen vors Siemenswerk gezogen und hat dort Präsenz gezeigt. Sie glaubt, dass es der Partei gelingt, auch die Verluste in den früheren Hochburgen in den Westbezirken zu kompensieren. »Im Wahlkampf werden die Stammwähler mobilisiert, da ist noch viel Luft nach oben«, sagt Sommer zu »nd«.

Aber was für ein Wahlkampf wird das werden, womöglich weiter unter den Einschränkungen der Pandemie? Da gibt es einige Unsicherheiten. Die Berliner Linke ist derzeit dabei, für alle Eventualitäten vorzubauen. Die bei der Wahl 2017 gewonnenen vier Direktmandate in Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick spielen dabei in den strategischen Diskussionen eine Rolle. Denn selbst im Fall eines Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde im Bund würde die Linke mit mindestens drei Direktmandaten in Berlin das Ziel erreichen, in Fraktionsstärke in den neuen Bundestag einzuziehen.

»Diese direkt gewonnenen Wahlkreise sind ein Stück weit die Lebensversicherung der Partei«, sagt Katina Schubert. Die Landesvorsitzende der Berliner Linken erklärt zum Wahlziel der Partei für die Bundestagswahl in Berlin: »Wir wollen die vier Direktmandate in Berlin verteidigen und mit Pascal Meiser ein fünftes Mandat in Friedrichshain-Kreuzberg hinzugewinnen.« In diesem traditionell grünen Stimmbezirk war es 2017 sehr knapp gewesen, Meiser unterlag mit 24,9 Prozent der Erststimmen gegenüber Canan Bayram (Grüne), die 26,3 Prozent der Erststimmen holte. Meiser selbst wurde bereits Ende November vom Bezirksverband in Friedrichshain-Kreuzberg aufgestellt.

Auch in den anderen Bezirken sind die Nominierungen bereits abgeschlossen. Beste Aussichten, seinen Erfolg zu wiederholen, hat Gregor Gysi in Treptow-Köpenick. Die Online-Plattform Wahlkreisprognose sieht diesen Wahlkreis aktuell als »Sicher für die Linke« an. Gysi verzichtet erneut darauf, seine Kandidatur für den Bundestag über die Landesliste abzusichern, die im April bestimmt werden soll. Ebenso »Sicher für die Linke« schätzt Wahlkreisprognose das Lichtenberger Mandat an, das die ehemalige Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, bereits fünf Mal seit 2002 gewann. Am 28. Februar soll Lötzsch vom Bezirksvorstand erneut nominiert werden.

Aber was heißt heutzutage schon sicher? Einige Initiativen des Berliner Senats kommen in den Ostberliner Außenbezirken offenbar gar nicht so gut an. Hinzu kommen neben Corona auch weitere Ungewissheiten. Wie sich die politische Großwetterlage auf Bundesebene entwickelt und welche Kanzlerkandidaten CDU und Grüne ins Rennen schicken werden, dürfte Folgen haben. Wie schwierig es am Stadtrand ist, hat Petra Pau seit Jahren in ihrem Wahlkreis erlebt, den sie seit 2002 im Deutschen Bundestag vertritt. Die Bundestagsvizepräsidentin wurde vor Kurzem – mit 100 Prozent Zustimmung – erneut nominiert. Mit Mario Czaja bekommt sie diesmal einen Konkurrenten von der CDU, der im Bezirk ebenfalls sehr gut vernetzt ist und der in seinem Video »mit ostdeutschen Lebensleistungen« und Gregor Gysi wirbt.

Ein harter Kampf um das Direktmandat steht auch Udo Wolf bevor. Der ehemalige Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus soll den Wahlkreis in Pankow verteidigen, den zuvor Stefan Liebich drei Mal gewonnen hatte. »Die Wahlkreise waren schon immer wichtig, wir haben immer mit der Absicherung der drei Direktmandate gearbeitet«, sagt Wolf. Und: »Berlin ist die Sicherungslinie.« Von Vorteil könnte der große Bekanntheitsgrad der Linken-Kandidaten sein. »Petra, Gesine, Gregor, das ist eine Bank«, betont Wolf. Im Fall seiner eigenen Aufstellung dürfte der Bekanntheitsgrad ebenfalls eine Rolle gespielt haben. »Es ist eine spannende Zeit«, sagt Wolf mit Blick auf die bevorstehenden Wahlkämpfe.

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