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Friedenspolitische Positionen verteidigt
Ein Papier des Linke-Außenpolitikers Matthias Höhn zur Sicherheitspolitik sorgt in der Partei für Debatten
Acht Monate vor der Bundestagswahl sorgt in der Linkspartei ein Positionspapier zur Friedens- und Sicherheitspolitik für Aufregung. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn hatte es vor einer Woche veröffentlicht. Er fordert seine Partei darin unter anderem auf, Antworten »jenseits ausgedienter Freund-Feind-Bilder« zu finden. Indirekt plädiert er für ein Ende der generellen Ablehnung von Militärmissionen durch die Linke. Anders, so Höhn, könne man nicht glaubwürdig für eine Stärkung der Uno und ihrer Vorrangstellung bei der Prävention und Beilegung von Konflikten eintreten. Darüber hinaus sieht Höhn in der Schaffung »gemeinsamer europäischer Streitkräfte« erhebliche »Einspar- und Abrüstungspotenziale«.
Seither äußerten sich viele Gruppierungen der Partei kritisch zu dem Papier. Es gab aber auch viel Zustimmung von Genossen und Sympathisanten der Linken, die Höhns Positionen Mehrheiten in der Partei wünschen, weil sie so bessere Chancen auf eine Machtoption in einem Bündnis mit SPD und Grünen auf Bundesebene habe.
Der Landesvorstand der Linken in Nordrhein-Westfalen hatte sich am Wochenende mit 16 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen für eine Kandidatur von Sahra Wagenknecht auf Platz eins der Landesliste des mitgliederstärksten Landesverbandes ausgesprochen. Sie muss jedoch noch auf einem Landesparteitag gewählt werden. Seit Montag gibt es eine Gegenkandidatin.
Mit Angela Bankert bewirbt sich eine Gewerkschafterin und Verkehrsexpertin um ein Bundestagsmandat und um den prominenten ersten Listenplatz zugleich. Bankert veröffentlichte am Montag auf Facebook ihr Bewerbungsschreiben, das in zentralen Punkten einerseits Widerspruch zu Positionen Wagenknechts und andererseits eine Absage an »die Illusion einer linken Regierung« von Grünen, SPD und Linkspartei im Bund enthält. Sie stehe »gegen Rassismus, Nationalismus, Militarismus und EU-Imperialismus«, schreibt Bankert. Das »Europa der Finanzakteure und Konzerne« zeige nicht zuletzt an seinen Grenzen, »welche Werte es vertritt«. Die Gewerkschafterin betont, sie stehe »ohne Wenn und Aber für die Aufnahme von Geflüchteten, solange die Politik der Umweltzerstörung, des Militarismus und Imperialismus die Lebensgrundlagen von Menschen zerstört und sie zu Migration zwingt«. Die Linke müsse den gemeinsamen Kampf gegen schlechte Löhne, Niedrigrenten und steigende Mieten organisieren, statt die Zuwanderung dafür verantwortlich zu machen, erklärte Bankert.
Eine Regierung unter Olaf Scholz und der für Aufrüstung der EU plädierenden Grünen-Chefin Annalena Baerbock würde »den Reichen nicht den Kampf ansagen, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr stoppen, das mörderische Grenzregime der EU fortführen und keinen sozial-ökologischen Systemwechsel bringen«, warnt Bankert. Ohne linke Opposition im Bundestag würden Gewerkschaften und sozial-ökologische Bewegungen geschwächt und rechtsradikale Parteien gestärkt.
Bankert war lange in der SPD aktiv, bevor sie 2004 Mitglied der PDS wurde. Die 64-Jährige ist Mitglied der »Antikapitalistischen Linken« und engagiert sich nicht nur im gewerkschaftlichen Bereich, sondern auch in der Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Gerade für Listenplatz 1 findet sie »das Signal wichtig, dass die Kandidatin in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verankert ist und sich nicht als Berufspolitikerin versteht«. Diese Verankerung bringe sie mit. jfr
Der Linke-Bundesvorstand verabschiedete unterdessen am Samstag eine Erklärung unter dem Titel »Keine Aufweichung friedenspolitischer Position«. Das »nd« vorliegende Papier stimmt weitgehend mit einer Stellungnahme überein, die zuvor die NRW-Linke verabschiedet hatte. Die Bundesspitze erwähnt jedoch, anders als der NRW-Landesvorstand, nicht den Anlass der Klarstellung.
Der Bundesvorstand habe seine Stellungnahme »einmütig, bei wenigen Enthaltungen und ohne Gegenstimmen« beschlossen, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag auf nd-Nachfrage. Deshalb erübrige sich jeder weitere Kommentar dazu. In dem Vorstandspapier heißt es, man sehe »keinen Anlass«, von den bisherigen, im Erfurter Programm von 2011 festgehaltenen Positionen abzurücken und stelle daher klar, dass die Bundeswehr »aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden« müsse und dass man weiter alle Auslandseinsätze ablehne, »unabhängig davon, unter welcher Organisation sie stattfinden«. Die Linke werde sich weiter für eine »schrittweise Abrüstung der Bundeswehr« einsetzen. Weiter wird die Forderung des Parteiprogramms nach Ersetzung der Nato »durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands« wiederholt. Eine »europäische Armee und andere Vorhaben der Militarisierung« führten nicht zu mehr Sicherheit, sondern sicherten »nur Konzerninteressen militärisch ab«.
Höhn erklärte zu dem Beschluss, es sei »reichlich schräg, wenn der Vorstand meint, Dinge klarstellen zu müssen, die niemand in Frage gestellt hat«. »Wir alle sind gegen Militarisierung und Aufrüstung«, sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag gegenüber »nd«. Aus der Partei bekomme er »überwiegend völlig andere Rückmeldungen«. Eine Debatte zu zeitgemäßer linker Sicherheitspolitik werde gewünscht. »Und sie muss geführt werden«, fordert Höhn.
Frank Tempel, Mitglied des Parteivorstands, sagte dem »nd«, er habe sich bei der Abstimmung am Samstag enthalten. Nicht immer sei eine abweichende Meinung gleich »der große Angriff auf die Grundfesten der Partei«. Tempel hätte es besser gefunden, wenn der Vorstand zunächst intern das Gespräch mit Höhn über seine Thesen gesucht hätte. Der Vorstandsbeschluss sei kein guter Umgang mit einem Diskussionsangebot.
Unterstützer der Position Höhns verwiesen in den Onlinemedien darauf, dass die Mehrheit der Linke-Wähler wegen ihrer sozialpolitischen Forderungen für die Partei gestimmt hätten und nicht wegen ihrer Ablehnung von Kriegseinsätzen. Zustimmung kam auch von Sozialdemokraten. Zuletzt äußerte sich der stellvertretende SPD-Chef Kevin Kühnert positiv. Wenn die Linke Höhns Ansätzen folge, werde sie »den Ausstieg aus der Nato und das Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht mehr zur Voraussetzung für einen Regierungseintritt« machen, sagte Kühnert dem »Tagesspiegel am Sonntag«. Das wäre für ihn »ein großer Schritt«.
Kritische Stellungnahmen zu Höhns Papier veröffentlichten unter anderem die Linke-Europaabgeordnete Özlem Alev Demirel und der Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform (KPF) in der Linkspartei. Demirel wirft dem Genossen vor, »Wasser auf die Mühlen derjenigen« zu gießen, die die EU »ohnehin als militärische Großmacht in Stellung bringen wollen«. Dabei gehe es auch den mächtigen EU-Staaten »um Rohstoffe, um Absatzmärkte, aber nicht zuletzt auch um die Vorherrschaft im Bereich der neuen Tech-Geopolitik«. Der KPF-Sprecherrat glaubt, Höhn und anderen Politikern aus dem Reformerlager gehe es im Kern darum, dass die Linke im Juni ein »die BRD-Staatsräson akzeptierendes Wahlprogramm« verabschiede.
Papier von Matthias Höhn: matthias-hoehn.de Replik von Özlem Demirel: oezlem-alev-demirel.de; Stellungnahme der KPF: kpf.die-linke.de/erklaerungen
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