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Aufmüpfige Beschäftigte wegoptimieren

Gewerkschaft sieht Willkür bei Fusion von Getränkelieferdiensten, auch auf Berliner Ebene

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr als 500 Beschäftigten des Berliner Getränkelieferdienstes Durstexpress soll nach Informationen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) am Mittwoch gekündigt werden. Hintergrund ist die Übernahme des Unternehmens durch den Konkurrenten Flaschenpost, den wiederum seinerseits der Dr.-Oetker-Konzern für rund eine Milliarde Euro erworben hatte. Das Bundeskartellamt genehmigte den Deal endgültig im Dezember 2020. Mit der Übernahme ist ein fast flächendeckend in Deutschland operierendes Unternehmen mit fast 10 000 Mitarbeitern entstanden. Der Standort Tempelhof wird geschlossen - aus »logistischen Gründen«, wie das Unternehmen mitteilte. Das wachsende Arbeitsvolumen soll auf die verbleibenden Standorte verteilt werden.

Eigentlich gelten in solchen Fällen die gesetzlichen Regelungen zum Betriebsübergang. Sebastian Riesner, Geschäftsführer der NGG-Region Berlin-Brandenburg, geht aber davon aus, dass der Konzern die mit juristischen Winkelzüge aushebelt. Etwa durch Aufsplittung der Standorte in einzelne Tochtergesellschaften nach europäischem Recht.

Der Konzern geht keineswegs einheitlich vor. Während den Durstexpress-Mitarbeitern in Charlottenburg und Friedrichshain mitgeteilt wurde, dass sie im Zuge eines Betriebsübergangs von Flaschenpost übernommen werden, wird in Tempelhof lediglich »angeboten«, sich bei Flaschenpost zu bewerben. Ähnliches beobachtet die NGG auch in Bochum und Leipzig. Riesner vermutet, dass der Konzern damit die Bemühungen der Gewerkschaft aushebeln will, bei Durstexpress in Tempelhof einen Betriebsrat zu installieren, der dann Vereinbarungen über die Arbeitsbedingungen einfordern könnte. Denn bislang sind Durstexpress und Flaschenpost weitgehend betriebsratsfreie Zonen und unterliegen auch keinem Tarifvertrag. Allerdings gebe es in Tempelhof viele individuelle Vereinbarungen zwischen Geschäftsleitung und einzelnen Beschäftigten, die in Fragen wie Urlaub, Arbeitszeit und Zulagen über das bei Flaschenpost übliche Niveau hinausgehen. Und diesem »Ballast« wolle sich der Konzern jetzt offenbar entledigen.

Die Kampfbedingungen für die NGG sind - gelinde gesagt - »nicht optimal«, wie Riesner einräumt. Der Organisationsgrad ist relativ gering, es gibt eine hohe Fluktuation und einen großen Anteil an Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigten. Ohne Betriebsräte kann die Gewerkschaft nicht mal eine Betriebsversammlung erzwingen und Verhandlungen über einen Sozialplan einfordern.

Man werde sich keineswegs kampflos geschlagen geben, kündigt Riesner an. Die NGG werde Kollegen unterstützen, die gegen ihre Kündigungen klagen. Schnelle Ergebnisse seien aber kaum zu erwarten, vor allem, wenn die Klagen durch mehrere Instanzen gehen. Man plane auch öffentliche Aktionen vor dem Tempelhofer Standort, obwohl dies unter Corona-Bedingungen schwierig sei, so Riesner.

Auch an den Dr.-Oetker-Konzern wird appelliert. Die unterschiedliche Behandlung der Standorte komme einer »rechtlichen Willkür« gleich, heißt es in einer Erklärung. Der Mutterkonzern solle konsequent gegen Versuche vorgehen, die betriebliche Mitbestimmung auszuhebeln. Doch es ist kaum zu erwarten, dass sich das Management in dieser Frage bewegen wird. Für Riesner ist dieser Konflikt exemplarisch. Lieferdienste seien eine Boombranche, und es sei höchste Zeit, auch dort die üblichen Standards betrieblicher Mitbestimmung durchzusetzen. Von der Bundesregierung erwartet die Gewerkschaft, dass die gesetzlichen Regelungen geändert werden, »um die Schlupflöcher für Unternehmen bei Betriebsübergängen wasserdicht zu schließen«.

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