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Nicht nur das Virus passt sich an
Mit einer Parteigründung umgehen Corona-Leugner die aktuellen Beschränkungen
Nicht nur der Coronavirus ist mutiert, auch die Leugner*innen der tödlichen Seuche haben sich weiterentwickelt. Während im vergangenen Jahr noch Zehntausende Verschwörungsideolog*innen gemeinsam mit rechten Esoteriker*innen und Neonazis auf Berlins Straßen aufmarschierten, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu protestieren, hat sich ihre Strategie im zweiten Lockdown mittlerweile geändert. »Es gibt im Moment mehr kleinere Aktionen, und ich kann mir auch vorstellen, dass das ein neuer Trend werden könnte«, beobachtet Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. »Derzeit begegnen uns etwa Spaziergänge, die immer wieder in Alt-Köpenick stattfinden. Wir sehen auch Ausweich-Anmeldungen: als Parteigründung, als Gottesdienst oder als Lauftreff getarnt.«
Hotspot Prenzlauer Berg
Schwerpunkt der Leugner*innenszene ist neuerdings Prenzlauer Berg. Fuhren die Autokorsos der Maskenfeinde in den vergangenen Wochen montags noch durch die City West und freitags durch Hellersdorf, verbreiteten am Montagabend rund 100 Fahrzeuge ihre Musik und kruden Parolen in Mitte und Pankow, mit an Bord auch der AfD-Politiker Andreas Wild. An diesem Donnerstagabend soll es nun in Prenzlauer Berg die nächste Zusammenkunft geben: In der Bar »Scotch und Sofa« an der Kollwitzstraße soll ein Parteigründungstreffen der Coronaleugner*innen stattfinden. Bereits Mitte Januar hatten sich dort rund 30 Menschen – größtenteils ohne Maske und Abstand – zur Gründung der Partei »Team Freiheit Scotch und Sofa« versammelt. Nach Beschwerden von Anwohner*innen wurden die beiden Veranstaltungen aufgelöst und Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Verstoßes gegen die Infektionsschutzmaßnahmen, gegen das Versammlungsgesetz und wegen versuchter Körperverletzung eingeleitet, nachdem eine Journalistin von einer Teilnehmer*in angegriffen worden sein soll. Ein weiteres Treffen in der darauffolgenden Woche konnte nach Vorlage eines Hygienekonzepts stattfinden.
Parteien sind juristisches Schlupfloch
»Mit dem Vorwand der Parteiversammlung haben die Coronaleugner*innen ein juristisches Schlupfloch gefunden, mit dem sie den Lockdown umgehen können und weiterhin Veranstaltungen abhalten können«, sagt Martin Stein von der North East Antifa Berlin zu »nd«. Er befürchtet, dass die Parteigründung bundesweit Schule machen könnte und sich die Bar in Prenzlauer Berg als Corona-Treffpunkt etabliert.
Auch die Polizeipräsidentin glaubt, dass die Corona-Leugner*innen nach Möglichkeiten suchen, um ohne Maske und ohne Vorschriften ihre Meinung kundzutun. »Dieses Vorgehen, bestimmte rechtliche Lücken zu nutzen, könnte sich noch verstärken«, so Slowik. Parteigründungen wären hierfür eine gute Möglichkeit. So ist auf der Internetseite von »Team Freiheit« zu lesen: »Du hast ein Restaurant, eine Bar, ein Café und da soll jetzt politisches Leben rein? Nichts leichter als das.« Schließlich stünden Parteien und ihre Arbeit unter besonderem Schutz. Eine Mustersatzung gibt es gleich noch dazu.
»Es gibt in der Tat ein Parteienprivileg in der Berliner Infektionsschutzverordnung«, bestätigt Pankows Linke-Vorsitzende Sandra Brunner. So gelte etwa die Begrenzung der Personenanzahl nicht für Parteiveranstaltungen, erklärt die Richterin. Die Verschwörungsideolog*innen, denen Brunner antidemokratische und menschenfeindliche Inhalte attestiert, will sie weder in ihrem Bezirk noch woanders in Berlin haben, weshalb die Linke für Donnerstag eine Demonstration gegen die Parteigründung angemeldet hat. Auch andere Gruppen mobilisieren vor die Bar.
Ernste Konsequenzen für den Betreiber
Bei den Veranstaltungen im »Scotch und Sofa« war neben zahlreichen Menschen aus der »Querdenken«-Szene auch die Berliner Hutmacherin Rike Feurstein anwesend, die unter dem Namen Viviane Fischer gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Reiner Füllmich die Partei »Team Freiheit« gegründet hat. Gegenüber »nd« bezeichnet sie die Corona-Impfungen als »gefährliches Unterfangen« mit fragwürdiger Wirksamkeit. Den Vorwurf, dass die Parteigründung nur ein Deckmantel ist, weist Fischer zurück. Auch seien alle Regeln eingehalten worden, die Anzeigen der Polizei bezeichnet die Rechtsanwältin als »Missverständnis«, fehlende Abstände begründet sie mit Attesten und Haushaltszugehörigkeiten.
Ob es sich dabei wirklich nur um ein Missverständnis handelt, wird sich zeigen. Mit den Verstößen gegen den Infektionsschutz befasst sich nun das Bezirksamt Pankow. Der Betreiber der Bar muss mit einem Ordnungsgeld rechnen. »Das höchste Bußgeld betrug bislang 1000 Euro«, so Ordnungsstadtrat Daniel Krüger (für AfD) zu »nd«. Das könnte im Fall der »Scotch und Sofa«-Bar aber höher ausfallen, da hier ein »Wiederholungsmoment« vorliege, »wo man vor Vorsatz ausgehen kann«. Das ist nicht einmal sein größtes Problem: Nach nd-Informationen hat der Besitzer der Kneipe dem Betreiber nach den Vorfällen zum Ende des Monats gekündigt.
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