Außen zart, innen hohl

Wie in der Porzellanstadt Meißen ein spezielles Gebäck entstand

  • Lothar Waide
  • Lesedauer: 2 Min.

Der unterhaltsame Stollen-Beitrag ließ mich an ein weniger kalorienreiches Gebäck aus der Porzellanstadt Meißen denken. Wer in Meißen ist, so heißt es, müsse unbedingt eine Meißener »Fummel« aus der traditionsreichen, seit fünf Generationen als Familienbetrieb geführten Konditorei Zieger essen. Sie sieht aus wie ein kleines glattes Weißbrot und ist im Nu verspeist, da es in Wirklichkeit ein mit Puderzucker bestreutes großes Hohlgebäck ist.

Das alte Backrezept ist kein Geheimnis. Leichter Nudelteig wird hauchdünn ausgerollt, mit Eigelb bestrichen, von allen vier Ecken her zusammengeschlagen, mit einem Strohhalm angestochen, leicht aufgeblasen und anschließend im Ofen gebacken.

Von Pflaumen und Fummeln

In der regelmäßigen Wochenend-Rubrik »Dr. Schmidt erklärt die Welt« behauptete unser Wissenschaftsredakteur Steffen Schmidt leichtsinnig, Powidltaschkerln seien Klöße mit Pflaumen im Inneren (»Semmelknödel oder Kartoffelkloß?«, »nd.DieWoche, 9./10.1., S. 24).

Die Älteren werden sich entsinnen, dass der Schlagersänger Peter Alexander dieser Speise ein Lied gewidmet hatte, welches in der Feststellung gipfelte: »Denn so ein Tatschkerl, so ein powidales, / Das ist doch wirklich etwas Pyramidonales!« Auch Lutz Jahoda interpretierte übrigens diesen Schlager. Dass die Taschkerln (oder Tatschkerln) pyramidonal sind, würde unser Leser Prof. Peter Porsch sicher unterschreiben. Wogegen er allerdings energischen Widerspruch einlegt: dass es sich um Klöße mit einer Pflaume handeln soll. Nein, es sind Teigtaschen. Der Sprachwissenschaftler und gebürtige Wiener, der seit Jahrzehnten in Sachsen lebt, klärt uns hier über die Wortentstehung auf - und liefert gleich noch das Rezept dazu.

Unseren Leser Lothar Waide aus Halle erinnerte der Artikel »Alle Jahre wieder ...«, in dem Heidi Diehl die vorweihnachtliche Stollentradition ihrer Eltern beschrieb (»nd.Commune« , 24.12., S. 3), an einen anderen Bäckerbrauch: die »Fummel« aus Meißen. Was das ist und wie es entstanden sein soll, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten. nd

Interessant ist die Entstehungsgeschichte der Fummel. Zu Zeiten Augusts des Starken trug es sich häufig zu, dass zwischen Meißen und Dresden Depeschenreiter des Kurfürsten unterwegs waren, um unter anderem Meißener Porzellan an den kurfürstlichen Hof nach Dresden zu bringen. Die Reiter waren allerdings sehr dem Meißener Wein zugetan. In den am Wegesrand liegenden Schenken kehrten sie deshalb allzu gern ein und ließen ihn sich munden.

Die Folge war, dass die Reiter meist verspätet, mit Schlagseite und häufig mit zerbrochenem Geschirr im Schloss eintrafen. Das ärgerte den Kurfürsten.

Und jetzt folgt ein Lehrstück in Sachen Arbeitgebergesinnung: Er entließ seine weinliebenden Reiter nicht, sondern befahl dem Zunftmeister der Meißener Bäckerinnung, ein leicht zerbrechliches Gebäck herzustellen, von dem die Reiter jeweils ein Stück unversehrt nach Dresden mitzubringen hatten, was bei den damaligen Wegeverhältnissen im trunkenen Zustand unmöglich war. So entstand die Fummel - und die weinliebenden Reiter mussten sich zumindest mäßigen.

Ob die Geschichte stimmt? Immerhin ist es bis heute in Meißen Brauch, dass Ehemänner am Herrentag nach Ende der Tour ihrer Frau eine Fummel unversehrt mit nach Hause bringen sollen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -