Außen zart, innen hohl
Wie in der Porzellanstadt Meißen ein spezielles Gebäck entstand
Der unterhaltsame Stollen-Beitrag ließ mich an ein weniger kalorienreiches Gebäck aus der Porzellanstadt Meißen denken. Wer in Meißen ist, so heißt es, müsse unbedingt eine Meißener »Fummel« aus der traditionsreichen, seit fünf Generationen als Familienbetrieb geführten Konditorei Zieger essen. Sie sieht aus wie ein kleines glattes Weißbrot und ist im Nu verspeist, da es in Wirklichkeit ein mit Puderzucker bestreutes großes Hohlgebäck ist.
Das alte Backrezept ist kein Geheimnis. Leichter Nudelteig wird hauchdünn ausgerollt, mit Eigelb bestrichen, von allen vier Ecken her zusammengeschlagen, mit einem Strohhalm angestochen, leicht aufgeblasen und anschließend im Ofen gebacken.
In der regelmäßigen Wochenend-Rubrik »Dr. Schmidt erklärt die Welt« behauptete unser Wissenschaftsredakteur Steffen Schmidt leichtsinnig, Powidltaschkerln seien Klöße mit Pflaumen im Inneren (»Semmelknödel oder Kartoffelkloß?«, »nd.DieWoche, 9./10.1., S. 24).
Die Älteren werden sich entsinnen, dass der Schlagersänger Peter Alexander dieser Speise ein Lied gewidmet hatte, welches in der Feststellung gipfelte: »Denn so ein Tatschkerl, so ein powidales, / Das ist doch wirklich etwas Pyramidonales!« Auch Lutz Jahoda interpretierte übrigens diesen Schlager. Dass die Taschkerln (oder Tatschkerln) pyramidonal sind, würde unser Leser Prof. Peter Porsch sicher unterschreiben. Wogegen er allerdings energischen Widerspruch einlegt: dass es sich um Klöße mit einer Pflaume handeln soll. Nein, es sind Teigtaschen. Der Sprachwissenschaftler und gebürtige Wiener, der seit Jahrzehnten in Sachsen lebt, klärt uns hier über die Wortentstehung auf - und liefert gleich noch das Rezept dazu.
Unseren Leser Lothar Waide aus Halle erinnerte der Artikel »Alle Jahre wieder ...«, in dem Heidi Diehl die vorweihnachtliche Stollentradition ihrer Eltern beschrieb (»nd.Commune« , 24.12., S. 3), an einen anderen Bäckerbrauch: die »Fummel« aus Meißen. Was das ist und wie es entstanden sein soll, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten. nd
Interessant ist die Entstehungsgeschichte der Fummel. Zu Zeiten Augusts des Starken trug es sich häufig zu, dass zwischen Meißen und Dresden Depeschenreiter des Kurfürsten unterwegs waren, um unter anderem Meißener Porzellan an den kurfürstlichen Hof nach Dresden zu bringen. Die Reiter waren allerdings sehr dem Meißener Wein zugetan. In den am Wegesrand liegenden Schenken kehrten sie deshalb allzu gern ein und ließen ihn sich munden.
Die Folge war, dass die Reiter meist verspätet, mit Schlagseite und häufig mit zerbrochenem Geschirr im Schloss eintrafen. Das ärgerte den Kurfürsten.
Und jetzt folgt ein Lehrstück in Sachen Arbeitgebergesinnung: Er entließ seine weinliebenden Reiter nicht, sondern befahl dem Zunftmeister der Meißener Bäckerinnung, ein leicht zerbrechliches Gebäck herzustellen, von dem die Reiter jeweils ein Stück unversehrt nach Dresden mitzubringen hatten, was bei den damaligen Wegeverhältnissen im trunkenen Zustand unmöglich war. So entstand die Fummel - und die weinliebenden Reiter mussten sich zumindest mäßigen.
Ob die Geschichte stimmt? Immerhin ist es bis heute in Meißen Brauch, dass Ehemänner am Herrentag nach Ende der Tour ihrer Frau eine Fummel unversehrt mit nach Hause bringen sollen.
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