- Politik
- Katholische Kirche
Missbrauchsgutachten: Mindestens 121 Betroffene in Berlin
61 Geistliche sollen einem Gutachten zufolge seit 1946 am Missbrauch von Minderjährigen beteiligt gewesen sein
Die Zahlen des unabhängigen Gutachtens über Fälle von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Berlin schockieren, aber sie überraschen nach den vielen Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche nicht: Insgesamt 121 Menschen waren demnach in der Hauptstadt von sexuellem Missbrauch durch Geistliche in den vergangenen 73 Jahren betroffen. Darüber hinaus sei von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer auszugehen, so das Gutachten. Aus den Personalakten sei zu entnehmen, dass alleine 19 der Opfer Hinweise auf weitere betroffene Kinder und Jugendliche gaben.
Die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs war mit der Erstellung des unabhängigen Gutachtens von der Kirche beauftragt worden. Bei der Untersuchung sei auch eine Vielzahl von Missständen deutlich geworden. Mitunter hätten diese Defizite die Verhinderung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker erschwert, die Aufklärung verhindert und notwendige Schlüsse für Intervention und Prävention unmöglich gemacht. Insbesondere die hierarchische Organisationsstruktur des Erzbischöflichen Ordinariats stellten einen »Hemmschuh« für Aufklärung, Intervention und Prävention dar, heißt es weiter.
Den Ergebnissen des Gutachtens zufolge ist der Großteil der Übergriffe in den 1950er und 60er Jahren passiert. Aber dies bedeute nicht unbedingt, dass zu diesem Zeitpunkt die meisten Taten geschehen sind. Denn viele Betroffene können erst nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten darüber sprechen, was ihnen angetan wurde - und in vielen Fällen dann auch erst Anzeige erstatten.
Laut Gutachten waren mindestens 61 Geistliche in den vergangenen 73 Jahren am sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen beteiligt. 51 von ihnen konnten den Angaben zufolge identifiziert werden. Dies waren hauptsächlich im Bistum tätige Priester und Ordensmitglieder. 28 Beschuldigte sind bereits verstorben. Die Daten von zwei Beschuldigten fanden keinen Eingang in die Auswertung, da sie an dem vom Jesuitenorden betriebenen Canisius-Kolleg in Berlin tätig waren, weshalb das Erzbistum Berlin keine Personalakten über sie führte.
Lesen Sie auch: Schwere Zeiten für Katholiken
Die Justiz ermittelte in 21 Fällen, von den eingeleiteten staatlichen Verfahren wurden elf mit Urteilen oder Strafbefehlen abgeschlossen. Alle übrigen Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Grund dafür waren zum Teil, dass Beschuldigte bereits verstorben waren, die Tat verjährt war oder sich der Tatverdacht nicht erhärten lies.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.